UfU-UIG Klage (VG 2 K 434.15) gegen das Bundeswirtschaftsministerium auf Einsichtnahme in Unterlagen Schiedsgerichtsverfahren Vattenfall gegen Bundesrepublik Deutschland

Am 3. November 2016 fand die mündliche Verhandlung zur Klage des Unabhängigen Institutes für Umweltfragen gegen das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) statt. Es geht um die Geltendmachung eines Umweltinformationsanspruches auf die beim BMWi vorhandenen Unterlagen im Verfahren „Vattenfall gegen Deutschland“ vor dem internationalen Schiedsgericht ICSID (International Centre for Settlement of Investment Disputes) in Washington. Dort wird bereits seit 2012 die Klage Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland verhandelt.

UfU hatte schon im Februar 2015 beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einen Antrag auf Akteneinsicht gemäß § 3 Umweltinformationsgesetz (UIG) gestellt. Ziel des Antrages war und ist es, Einsicht in die Unterlagen dieses Verfahrens vor dem Internationalen Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten zu erhalten. Nach dem Ablehnungsbescheid vom 19. März 2015 und dem Widerspruchs­verfahren im Frühjahr 2015 legte UfU am 19. Juni 2015 Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin ein.

UfU möchte Transparenz in dieses internationale Schiedsgerichtsverfahren bringen und gerichtlich feststellen lassen, dass auch vor internationalen Schiedsgerichten die Grundsätze der Aarhus Konvention als bindendes Recht zu berücksichtigen sind und nicht durch jeweilige Vereinbarungen über die Vertraulichkeit der Verhandlungen umgangen werden können. Es verlangt daher Akteneinsicht gemäß § 3 UIG: Fragen von öffentlichem Interesse, was es zu gewährleisten gilt, sind beispielsweise: Wie begründet Vattenfall seine Schadenssumme? Welches Verständnis von „Enteignung“ bringt Vattenfall vor? Oder auf welche gesetzliche Grundlage stützt sich der Anspruch auf Schadensersatz?

Auf die Offenlegung dieser Informationen besteht dabei ein gesetzlicher Anspruch nach dem UIG. Die Geltendmachung dieses Anspruches kann dabei nicht – wie bei der Übertragung der mündlichen Verhandlung vor dem ICSID – von dem Einverständnis eines privaten Investors abhängen. Dieser kann nicht über die Anwendbarkeit von bestehenden gesetzlichen Vorgaben gegenüber der deutschen Öffentlichkeit entscheiden. Und auch die Bundesregierung ist im Rahmen von den das Schiedsgericht leitenden Parteivereinbarungen an die geltenden völkerrechtlichen und nationalen Gesetze gebunden. Die Transparenzgrundsätze der Aarhus Konvention auf Offenlegung von Informationen sind nicht disponibel. Denn wie sollen Politik und Öffentlichkeit ihre Kontrollfunktionen ausüben, wenn sowohl den Abgeordneten des Deutschen Bundestages als auch der deutschen Öffentlichkeit jedwede Informationen über dieses Verfahrens vorenthalten wird? Schließlich werden auch bei Klagen vor einem in Washington ansässigen Schiedsgericht bundesdeutsche Steuergelder verhandelt.

Bereits im Mai 2012 hatte der Energieversorger die Bundesrepublik Deutschland wegen entgangener Gewinne aufgrund des gesetzlich fixierten Atomausstiegs auf Schadenersatz verklagt. Die Forderungen belaufen sich auf 4,7 Mrd. Euro wegen der Stilllegung der beiden Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel in Schleswig-Holstein. Dass Vattenfall die Klage auf Schadenersatz nicht vor einem ordentlichen deutschen Gericht gestellt hat, wie es möglich gewesen wäre, liegt mutmaßlich in erster Linie an den Erfolgsaussichten. In Washington wird ohne Berufsmöglichkeit ein endgültiges Urteil gesprochen, dieses wird voraussichtlich bis Mai 2017 erwartet.

Die Klage des UfU weist damit auch auf die Unvereinbarkeit zwischen ordentlichen Gerichtsverfahren und Schiedsgerichtsverfahren hin. Denn was nützen völkerrechtlich eingegangene Verträge zu umfassender Transparenz in Umweltfragen wie die Aarhus-Konvention oder umfassende Gesetze und Ansprüche wie das Umweltinformationsgesetz, wenn wichtige Bereiche der Wirtschaft in Konfliktfällen davon ausgespart sind?

Aber nicht nur die Art des Verfahrens hat weitreichende Konsequenzen auf umwelt­relevante Entscheidungen, sondern auch das Ergebnis: Denn die Aussicht, mehrere Milliarden Euro Schadenersatz bezahlen zu müssen, wenn man im Sinne der Umwelt weitreichende Entscheidungen trifft, wird jeden politisch Verantwortlichen in Zukunft eher lähmen, Entscheidungen in diesem Sinne zu treffen. Und dass Schiedsgerichtsverfahren unmittelbar behördliche Maßnahmen mit Umweltbezug betreffen, ist bereits nachweislich: So hat die Umweltverwaltung Hamburg ihre Umweltauflagen zurückgenommen, um 1,4 Mrd. Euro nicht zahlen zu müssen, die ihr nach einem Schiedsgerichtsurteil auferlegt worden waren (Moorburg-Fall, Fallnummer ARB/09/6) .

Laufzeit
2/2015 – 11/2016

Gefördert durch
UfU-Eigenprojekt, keine externe Förderung

Kontakt
Karl Stracke

Weitere Informationen

Pressemitteilung nach der Entscheidung am 03.11.2016

Pressemitteilung zur öffentlichen Verhandlung am 03.11.2016