Klimawandel und Migration (oder etwas breiter gefasst: menschliche Mobilität) sind jeweils für sich genommen relativ komplexe Phänomene. Sie können sich auch überschneiden – nämlich dann, wenn die Auswirkungen der Klimakrise (manchmal auch der Klimapolitik) dazu führen, dass Menschen migrieren. Dies kann verschiedene Formen annehmen – etwa Flucht, Vertreibung, (mehr oder weniger freiwillige) Migration – und zudem besteht auch das Problem von Immobilität. Manche Menschen können oder wollen ihren Lebensmittelpunkt nicht verändern, auch wenn die Klimakrise das Verbleiben dort immer schwieriger macht. Im Folgenden ist der besseren Lesbarkeit wegen meist verkürzt von „Klimamigration“ die Rede, auch wenn „klimawandelinduzierte (Im-)Mobilität“ wohl etwas genauer wäre.

Damit sind wir schon beim Problem, die recht komplexe Verbindung von Migration und Klimakrise angemessen zu vermitteln. Auf dieser Seite haben wir mehrere Informations- und Bildungsmaterialen zusammengestellt. Diese sind verschieden aufbereitet – sodass hoffentlich für jede*n etwas Passendes dabei ist. Manche Informationen doppeln sich daher. Außerdem haben wir Materialien aus unserem Projekt KlimaGesichter, das sich schwerpunktmäßig mit Klimamigration und -gerechtigkeit beschäftigt hat, gesammelt. Die Referierenden aus dem Projekt geben einen authentischen Einblick in ihre Herkunftsländer und geben der globalen Dimension ein Gesicht und eine Stimme.

FAQ Klimamigration

Welcher Begriff je nach Kontext der richtige ist, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Selbst Fachleute streiten sich darüber, ob beispielsweise „Klimaflucht“, „Klimamigration“ oder „Klimamobilität“ am besten passt.

Laut der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) befindet sich ein verfolgter Flüchtling außerhalb seines Herkunftslandes. Dies ist bei klimawandelbedingter Migration häufig nicht der Fall, weil die Menschen innerhalb eines Landes migrieren, z.B. von ländlichen Gebieten in urbane Zentren. Veränderte Klima- oder Umweltbedingungen sind nach derzeitiger Fassung der GFK kein Grund um den Status als Flüchtling zu erlangen. Aber Völkerrecht ist ja nicht unveränderbar. Und vielleicht kann durch die Verwendung des Begriffs „Klimaflucht“ auf diese Lücke im Rechtsschutz aufmerksam gemacht werden.

„Flüchtling“ oder „Vertriebene:r“ suggerieren für viele Menschen zudem, dass die Migration eine unfreiwillige Handlung war. Das rückt die sog. „Überlebensmigration“ in den Fokus – also die Flucht vor plötzlich auftretenden Umweltbedingungen (z.B. Überschwemmungen). Es gibt jedoch auch eine „Investitionsmigration“, die auf eher schleichende Verschlechterung der Lebensbedingungen durch den Klimawandel reagiert. Dabei „investiert“ beispielsweise eine Familie die Arbeitskraft eines Mitglieds, das migriert und andernorts zum Haushaltseinkommen beiträgt. Ist diese Form der Migration eher unfreiwillig oder nicht? Darüber kann man streiten.

Nicht zuletzt muss erwähnt werden, dass „Flüchtling“ in vielen Ländern ein politisch und emotional aufgeladener Begriff ist. Nicht nur in Deutschland schüren politische Gruppen damit oft Ängste bei der Bevölkerung und versuchen sich damit innenpolitisch zu profilieren. Andererseits kann der Begriff auch Solidarität und Hilfsbereitschaft aktivieren – die vielleicht stärker wirken als beim eher neutraler wirkenden Begriff „Klimamigrant:in“.

Je nach Kontext kann somit ein anderer Begriff am angebrachtesten sein. Im Folgenden wird zur Beschreibung der Phänomene vor allem der Begriff „Migration“ verwendet.

Menschen migrieren aus verschiedenen Gründen. Es gibt oft nicht genau einen Grund dafür.  Meistens wirken verschiedene Ursachen zusammen. Der Klimawandel ist selten der einzige Grund für Migration. Trotzdem hat er sehr oft Einfluss auf Migrationsentscheidungen – auch wenn das den Betroffenen nicht immer bewusst sein mag. Der Klimawandel wirkt sich in verschiedenen Bereichen auf den Menschen aus und kann so Migration mitbedingen: Er verändert regional zum Beispiel die Voraussetzungen für den Betrieb von Fischerei, Forst-, Vieh- und Landwirtschaft und kann zu Wasserknappheit führen. Die Gesundheit von Menschen wird ebenfalls durch die klimatischen Bedingungen beeinflusst, beispielsweise durch langanhaltende Hitze. Und nicht zuletzt sind Städte, Siedlungen und Infrastrukturen bedroht von unter anderem Stürmen und Überschwemmungen, die durch den Klimawandel häufiger werden.

Bei klimawandelinduzierter Migration greifen Veränderungen der Umweltbedingungen und soziale Entwicklungen ineinander. Dabei können die Veränderungen kurzfristig (sudden-onset) stattfinden – etwa wenn Wetterextreme wie Dürren, Starkregen oder Hurrikane zu Waldbränden, Überschwemmungen oder Sturmschäden führen und Gebiete (zeitweise) unbewohnbar machen. Die daraus resultierende Migration ist relativ eindeutig zuzuordnen und wird vermutlich schon von vielen Menschen mit dem Begriff „Klimaflucht“ assoziiert.

Aber die Lebensbedingungen können sich durch den Klimawandel auch eher schleichend (slow-onset) verschlechtern, etwa wenn die Veränderung von Ökosystemen dazu führen, dass die Landwirtschaft nicht mehr so (erfolgreich) betrieben werden kann wie bisher. Während man beim Anstieg des Meeresspiegels, der ebenfalls relativ langsam vor sich geht, noch einen klaren Bezug von Klimawandel und Migration weg von Küstenstädten und kleinen Inseln feststellen kann, ist das bei vielen anderen langfristigen Folgen des Klimawandels schon schwerer. Ist ein Konflikt, der aus der verschärften Konkurrenz um immer knapper werdendes Trinkwasser entsteht und zu Fluchtbewegungen führt, dann der Grund für Migration – oder nicht auch der Klimawandel, der die Wasserverknappung mitbedingt?

Migrationsbewegungen kann man nach verschiedenen Kategorien weiter unterscheiden: Bei der “Binnenmigration” überschreiten die Migrant:innen keine (offizielle) Landesgrenze, sondern bleiben im selben Land. Das Gegenteil davon ist folglich die grenzüberschreitende Migration, bei der das Ziel außerhalb des Landes, aus dem man aufbricht, liegt.

Auch bei der Dauer der Migration kann man Unterschiede feststellen: Sie kann eher kurzfristig sein – etwa wenn Menschen aus einem Gebiet wegen eines Waldbrandes wegziehen, aber wieder zurückkehren, wenn die Gefahr gebannt ist. Aber sie kann auch eine dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunkts bedeuten. Außerdem gibt es Gruppen, die einen wiederkehrenden Migrationsprozess durchlaufen, wenn sie zum Beispiel nur zur Erntesaison in ein gewisses Gebiet ziehen. Wie lange muss Migration dauern, um so zu heißen? Das ist kaum allgemein zu beantworten. Manche bevorzugen auch deswegen den Begriff “Klimamobilität” statt “Klimamigration”.

Speziell bei der Klimamigration kann man noch danach einteilen, wie planbar die Migration ist (s. Antwort auf die erste Frage oben): Handelt es sich eher um eine akut notwendige “Überlebensmigration” oder kann man wie bei einer “Investitionsmigration” besser planen?

Das lässt sich nicht genau sagen, weil eine Berechnung dazu sehr kompliziert ist und letztlich immer auf Schätzungen zurückgreift. Vorhandene Zahlen dazu unterscheiden sich mitunter sehr stark voneinander, je nachdem, welche Faktoren in der Berechnung berücksichtigt wurden. Noch komplexer wird es, wenn sich die Schätzungen auf die Zukunft beziehen – denn da niemand die Zukunft exakt vorhersehen kann, gibt es hier ein hohes Maß an Ungewissheit.

Allerdings lässt sich auch ohne eine konkrete Zahl sicher sagen, dass durch den Klimawandel künftig mehr Menschen migrieren (müssen). Zudem ist Ungewissheit kein Grund für Untätigkeit! Nur weil wir keine genauen Zahlen kennen, entlässt uns das nicht aus der Verantwortung, intensivere Mitigations- und Adaptationsmaßnahmen zu ergreifen und die Klimamigration überall auf der Erde möglichst menschenwürdig zu ermöglichen!

Zwar ist jeder Mensch verletzlich (vulnerabel) und kann von den Folgen des Klimawandels so stark betroffen sein, dass er migrieren muss. Aber es gibt Gruppen, die tendenziell stärker gefährdet sind und daher ein höheres Maß an Schutz benötigen. Dazu zählen unter anderem sehr junge und sehr alte Menschen, Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen, Schwangere, Indigene sowie Menschen mit vergleichsweise wenig verfügbarem Einkommen und geringer sozialer Vernetzung. Alle Menschen sind also vulnerabel – jedoch nicht im selben Maße.

Eine wichtige Rolle spielt zudem, wo man sich befindet: Das ist nicht nur so gemeint, dass verschiedene Regionen der Erde in unterschiedlichem Maße vom Klimawandel betroffen sind. Entscheidend ist auch, wie gut die Anpassung (Adaptation) an die Veränderungen gelingt – und hier unterscheiden sich die Staaten der Erde in ihren Fähigkeiten mitunter sehr: Bei Prävention (z.B. Frühwarnsysteme), Abwehr und Schutz (z.B. Deiche) sowie Hilfe (z.B. finanziell oder medizinisch) bei nicht vermeidbaren Schäden oder Notfällen haben reiche Staaten in der Regel eine deutlich bessere Infrastruktur und somit mehr und bessere Möglichkeiten, ihre Bürger:innen zu schützen.

Häufig entscheiden also die gesundheitliche und sozioökonomische Situation und der Wohn- bzw. Aufenthaltsort darüber, wie vulnerabel ein Mensch ist und wie wahrscheinlich es ist, dass der Klimawandel ihn zum Migrieren verleitet.

Anders als vielleicht viele meinen ist Armut eher ein Hindernis als ein Grund für Migration. Migration muss man sich nämlich leisten können – denn dafür benötigt man unter anderem Geld, einen gewissen Gesundheitszustand und ein gewisses soziales Netzwerk. Stehen diese nicht ausreichend zur Verfügung bleiben Menschen in ihren Lebensbedingungen „gefangen“.

Sogenannte „trapped populations“ sind aufgrund ihrer Armut gerade nicht fähig zur (dauerhaften) Migration und müssen in Gebieten bleiben (oder nach einer kurzfristigen Überlebensmigration wieder dorthin zurückkehren), die besonders negativ vom Klimawandel betroffen sind. Es besteht also eine unfreiwillige Immobilität. Zusätzlich stecken viele noch in einer „Besitzfalle“: Um an Geld, das für eine dauerhafte Migration nötig wäre, zu kommen, müssten sie ihren Landbesitz verkaufen. Genau dieses Land verliert durch den Klimawandel aber an Wert und es ist somit schwieriger, es zu einem guten Preis zu verkaufen.

Allerdings sollte erwähnt werden, dass es auch diejenigen, die sich eine Migration leisten können, häufig nicht leicht haben. Sie müssen sich in einer neuen Lebens- und Arbeitswelt zurechtfinden, haben eventuell zusätzlich zu ihrer Heimat die Möglichkeit verloren, ihre Kultur und/oder ihre Sprache ausleben zu können, und stehen meist unter einem großen Druck.

Im Januar 2025 wurde diese Broschüre erstellt, die wichtige Informationen zu Klimakrise, Klimagerechtigkeit und Klimamigration vermittelt. Sie kann durch einen Klick auf das Bild kostenlos heruntergeladen werden.

Das Cover der Broschüre Klimakrise, Klimagerechtigkeit, Klimamigartion

Klimakrise: In diesem Abschnitt werden die Ursachen und Folgen der Klimakrise erklärt. Außerdem gibt es Infoboxen mit Argumenten gegen die Leugner des Klimawandels.
Klimagerechtigkeit: Hier wird ein Blick auf die Ungleichheiten geworfen, die vor allem zwischen Globalem Norden und Süden bestehen.
Klimamigration: Die Rolle der Klimakrise als Migrationsgrund wird hier ebenso beleuchtet wie verschiedene Arten von Mobilität und Immobilität im Zusammenhang mit der Erderhitzung.

In der Folge „Klima & Flucht“ des Podcasts Diversitas spricht Vasileios Panagiotidis mit UfU-Mitarbeiter Dr. Christoph Herrler und Anne Marcelle Rakotonirina aus Madagaskar. Es geht unter anderem um die verschiedenen Aspekte der Klimakrise, die zu Migrationsbewegungen führen können, Gerechtigkeit und die Frage, wie man sich engagieren soll. Ein Klick auf das Bild führt zur Folge auf YouTube.


Ansprechpartner

Dr. Christoph Herrler

Klimaschutz & Transformative Bildung
Politikwissenschaftler
Stellv. Fachgebietsleiter

Telefon: +4930 4284 993 48
Email: christoph.herrler@ufu.de

Die wichtigsten Informationen zum Themenkomplex „Klimakrise – Klimagerechtigkeit – Klimamigration“ sind hier in kurze Infoposts gebündelt. Einfach auf den Post klicken um zu lesen!
Ergänzen dazu haben wir ein besonderes Schlaglicht auf die Vielfalt an Verlusten geworfen, die häufig mit Erderhitzung und Migration in Verbindung stehen.

Weiterführende Links:

In unserem Projekt KlimaGesichter II haben wir Menschen mit Flucht- oder Migrationserfahrung zu Klimabotschafter*innen ausgebildet. Einige von ihnen geben hier in Kurzinterviews Einblicke dazu, wie ihre Herkunftsländer von der Klimakrise betroffen sind. Einfach auf das Bild klicken um zu lesen!