UfU Informationen | Ausgabe 13 – Januar 2023 | Jonas Rüffer
Vietnamesische Elektroniker in Berlin
UfU erarbeitet ein Rekrutierungsabkommen
In zahlreichen Branchen fehlen in Deutschland nach wie vor Fach- und Arbeitskräfte, um den Erhalt dieser Branchen zu sichern. Das UfU erarbeitet aus diesem Rekrutierungsprogramme für das Elektrohandwerk in Berlin.
Der Fach- und Arbeitskräftemangel in Deutschland ist allgegenwärtig. Laut Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) gibt es mehr als 250.000 nicht besetzte Stellen im Handwerk. Gleichzeitig fehlt Nachwuchs und immer mehr Ausbildungsplätze werden nicht besetzt. Bis 2036 werden fast 20 Millionen Babyboomer in Deutschland in Rente gehen, darunter auch viele Handwerker. Für die Weiterführung der Betriebe und damit auch die Verfügbarkeit von Handwerksleistungen in Deutschland ist diese Entwicklung katastrophal.
Zuwanderung als Lösung
Die viel geforderte Lösung des Problems heißt Zuwanderung. Mit den richtigen Anreizen, beispielsweise einem modernisierten Fachkräftezuwanderungsgesetz, sollen Menschen aus anderen Ländern dazu bewegt werden, nach Deutschland zu ziehen und hier die offenen Stellen zu besetzen. Dies ist in der Vergangenheit nur mäßig erfolgreich gewesen. Die Wege, eine ausländische Ausbildung in Deutschland anerkennen zu lassen, waren umständlich und dauerten lange. Oft mussten Zusatzqualifikationen und Arbeitserfahrungen nachgewiesen werden, damit die ausländische Ausbildung der Deutschen gleichgesetzt wurde. Doch Schritt für Schritt, mit Erkennen der Notwendigkeit von ausländischen Facharbeitern, wurden die Hürden für Einwanderung von Arbeitskräften gesenkt. Inzwischen gibt es zahlreiche Abkommen der Bundesrepublik und verschiedener Bundesländer mit anderen Ländern zur Rekrutierung von Fachkräften.
Ausbildungsabkommen für Berlin
Um insbesondere den Fachkräftemangel im Berliner Handwerk zu beheben, erarbeitet das UfU seit einem Jahr eine umfangreiche Machbarkeitsanalyse über die Rekrutierung von Vietnamesen für das Berliner Elektrohandwerk. Denn Vietnam ist zum einen ein Land, welches die Arbeitsmigration eigener Landleute stark fördert, zum anderen hat Berlin eine besonders große vietnamesische Community, was ein Anreiz für zahlreiche Vietnames*innen ist, nach Berlin zu kommen.
Unsere Analyse, beauftragt unter anderem von der Handwerkskammer, untersucht, welche Arten von Rekrutierungsprogrammen für das Land Berlin entworfen werden können, um den Bedarf im Elektrohandwerk zu decken. Dabei soll nicht nur das Land Berlin profitieren, sondern im Gegenzug auch in die Ausbildung in Vietnam investiert werden. Aktuell entwerfen wir verschiedene Rekrutierungsprogramme welche entweder die Ausbildung in Vietnam oder in Berlin beinhalten und unterschiedliche Arten und Weisen der Zusammenarbeit untersuchen.
Was hat das mit Umwelt- und Klimaschutz zu tun?
Das Handwerk des Elektronikers wird sich auf Dauer stark wandeln. Mit der zunehmenden Elektrifizierung unsere Haushalte, Wärmepumpen, Solaranlagen, Elektroautos als Stromspeicher, Smart-Meter etc. verändern sich insbesondere die Arbeitsfelder des Elektronikers, sowie das Berufsfeld Heizung, Sanitär, Klima. Haushaltselektronik wird nicht nur mehr, sondern in Zukunft auch smarter und individueller. Möchte Deutschland seine Klimaziele nicht verfehlen wird es notwendig sein, genügend Arbeitskräfte zum klimagerechten Umbau von Gebäuden vorzuhalten und die Ausbildung dieser Arbeitskräfte in Hinblick auf diese Entwicklung anzupassen. Ein gemeinsames Ausbildungsabkommen mit Vietnam bietet uns die Möglichkeit, mehr Arbeitskräfte für den Berliner Arbeitsmarkt zu generieren und gleichzeitig durch internationale Erfahrungen die Ausbildung weiterzuentwickeln.
Wie sind wir vorgegangen?
Um die aktuelle Situation in Berlin bezüglich der vietnamesischen Zuwanderung und der Arbeitsmarktsituation im Berliner Elektrohandwerk zu evaluieren haben wir zahlreiche Studien und Berichte zur vietnamesischen Community ausgewertet und eine Umfrage unter Berliner Elektrobetrieben durchgeführt. Wir haben aktuelle und vergangene Fachkräfteabkommen zwischen verschiedenen Institutionen und Vietnam analysiert und sind im Juni 2024 nach Vietnam gereist. Dort wurden verschiedene Berufsschulen besucht und sich mit dem vietnamesischen Ausbildungssystem auseinandergesetzt. Jetzt in November und Dezember schreiben wir die verschiedenen Rekrutierungskonzepte für das Berliner Handwerk aus.
Zuwanderung – Muss das sein?
Diese Frage wird sich manch einer beim Lesen dieses Textes stellen. Die beiden vorherigen Texte befassen sich mit dem Erstarken der AfD und Jugendlichen die Rechts wählen. Migration ist ein Hauptthema der AfD. Insofern erscheint die Auswahl der Texte für diese Ausgabe merkwürdig passend oder eben unpassend, je nach Betrachtungsweise. Diese Auswahl ist jedoch bewusst so gewählt. Zeigt sich doch, mit welchen Problemen wir aktuell konfrontiert sind. Die Sorge vor Zuwanderung ist eine vielgeteilte Sorge in der deutschen Bevölkerung, die lässt sich nicht wegdiskutieren. Und das mit Migration Probleme einhergehen, die in der Vergangenheit nicht oder nur teilweise gut gelöst wurden, ist ebenfalls Konsens bei den meisten Menschen. Die Art und Weise aber, wie Migration insbesondere durch rechtspopulistische Parteien und Gruppen zum Hauptproblem unserer Gesellschaft stilisiert wird, geht nicht nur an den Fakten, sondern auch an den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Erhaltung unsere Wirtschaftsstandortes vorbei. In unserem Projekt haben wir mit zahlreichen Elektrobetriebe in Berlin und Brandenburg gesprochen. Wir haben mit den Betrieben aus anderen Handwerksbereichen gesprochen. Wir haben mit der Handwerkskammer und auch mit der Industrie- und Handelskammer gesprochen. Im Jahr 2023 blieben deutschlandweit mehr als 20.000 Ausbildungsplätze im Handwerk unbesetzt. Auch wenn die Besetzung dieser Ausbildungsplätze mit Menschen aus anderen Kulturen für Manche in unserem Land eine schwierige Vorstellung ist, wir werden um die Notwendigkeit von Zuwanderung nicht herumkommen. Die Alternative ist, dass Handwerksbetriebe keine Nachfolger mehr finden und schließen werden, wenn die alten Beschäftigten in Rente gehen. Ignorieren wir die Probleme von Zuwanderung deswegen?
Selbstverständlich nicht. Unser Projektbericht untersucht ebenfalls, welche Probleme es insbesondere mit vietnamesischer Zuwanderung in der Vergangenheit gab, um nicht dieselben Fehler zu machen. Dazu gibt es bereits zahlreiche Studien. Diese Studien wurden mit einbezogen und verschiedene Verantwortliche für dieses Thema befragt. So hoffen wir, in unseren Modellen eine verträgliche Zuwanderung zu gestalten, welche für beide Seiten von Vorteil ist.
Wann werden die Projektergebnisse veröffentlicht?
Voraussichtlich im Januar 2025 werden die Projektergebnisse auf unserer Publikationsseite veröffentlicht werden.