UfU Informationen | Ausgabe 13 – Januar 2025 | Lucia Balzk

Wahlen in Ostdeutschland

Die Ergebnisse junger Wähler*innen bei Wahlen in Ostdeutschland

Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sind alarmierend. Obwohl die AfD in zwei dieser Bundesländer als gesichert rechtsextrem gilt, hat sie sich besonders unter jungen Wähler*innen als mit Abstand stärkste Kraft durchgesetzt. Medien und Öffentlichkeit sind derzeit mit Erklärungsansätzen für die Frage: Warum wählt die Jugend rechts? überflutet. Dabei werden zahlreiche Studien herangezogen, die das Bild einer unzufriedenen Generation zeichnen, die insbesondere im ostdeutschen Kontext mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert ist.

Im Fokus der Debatten stehen die Erfahrungen der sogenannten „Krisengeneration“, die von den Auswirkungen der Pandemie, wirtschaftlicher Unsicherheit und Identitätssuche geprägt ist – sei es in Bezug auf ihre ostdeutsche Herkunft, Geschlecht, Religion oder soziale Stellung. Diese Generation von jungen Menschen zwischen 18 und 27, sind nicht nur mit persönlichen Herausforderungen konfrontiert, sondern müssen sich auch mit einer Vielzahl globaler Krisen auseinandersetzen: dem Klimawandel, dem Fachkräftemangel, dem Krieg in Europa, der Migration, globalen Fluchtbewegungen, der Inflation und dem zunehmenden Druck auf die Demokratie. Neben dem Erklärungsansatz der globalen Krisen wird häufig auch ein spezifisch auf Ostdeutschland gerichteter Ansatz angeführt. Die besondere Geschichte Ostdeutschlands bedeute ein vermeintlich fehlendes, historisch geprägtes Demokratieverständnis, den Verlust alter Identitäten und die Suche nach einer neuen ostdeutschen Identität. Zukunftsängste, das Gefühl, nicht gehört zu werden, und die mangelnde Möglichkeit, politisch mitzugestalten, verstärken die Unzufriedenheit. An diese Erklärungsansätze werden dann die tückischen Funktionsweisen der AfD geknüpft. Wie die Partei benannte Sorgen geschickt ausnutzt, indem sie diese Ängste katastrophisiert und sich als Partei präsentiert, die sich „kümmern“ will. Analysen zeigen auf, wie sie durch gezielte Medienstrategien, insbesondere auf Plattformen wie TikTok, diese Botschaft erfolgreich verbreitet. Es zeichnet sich eine öffentliche Diskussion ab, die nach detaillierten Erklärungsansätzen der Besonderheiten der „ostdeutschen Jugend“ und daran anknüpfenden Strategien der AfD fragen, aber ist das ausreichend? Der Ursprung und die Gründe von rechten Einstellungen gerät dabei zu weit in den Hintergrund.

Die Attraktivität der AfD für manche Jugendliche verlangt durchaus nach Erklärungen und dabei ist es wichtig, auf die aktuelle Lebensrealität und sozioökonomischen Kontext der Generation einzugehen. Aber es ist auch darauf hinzuweisen, dass einfache Erklärungen zu kurz greifen. Zum einen wird ein Bild einer homogenen „ostdeutschen Jugend“ verfestigt, die wieder einmal abgewertet wird, indem ausschließlich AfD-Wähler*innen in den Fokus gesetzt werden. Andere Positionen, wie die 70 Prozent der jungen Wähler*innen, die nicht die AfD wählen, bleiben unsichtbar. Des Weiteren darf das Problem nicht auf Jugendliche allein abgewälzt werden. Rechts wählende Jugendliche sind nur einer der sichtbaren Teile des Phänomens. Entsprechende Einstellungen sind weit darüber hinaus in der Bevölkerung vorhanden. Es ist problematisch vereinfachend, wenn rechte Einstellungen wie Rassismus und Gewalt als Ausdrucksformen von Entwicklungsproblemen, ostdeutschen Sozialisationsdefiziten oder jugendlicher Rebellion darstellt werden. Dabei wird überdeckt, dass die politische Kultur, das Bild von Demokratie und die wirtschaftlichen Verhältnisse in Ostdeutschland das Resultat jahrzehntelanger politischer Entscheidungen sind. Dies ist nicht allein das Problem der jungen Generation und Ausdruck eines breiteren gesellschaftlichen Versagens. Das Bild einer rechts wählenden ostdeutschen Jugend trägt zudem dazu bei, diese Gruppe gegen eine vermeintlich nicht-rechte Gesellschaft auszuspielen.

In Krisenzeiten ist ein generationsübergreifendes Miteinander wichtig. Das Problem auf die Jugend abzuwälzen und schulische sowie pädagogische Kräfte zum Zugzwang zu ermahnen, kratzt nur an der Oberfläche. Andere Parteien tragen durch ihr eigenes Vorgehen ebenfalls eine Verantwortung für den Aufstieg der AfD. Ein Beispiel ist die Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz zu „großangelegten Abschiebungen“. Womit er Themen aufgreift, die stark im Diskurs der AfD verankert sind, und damit indirekt den Nährboden für die Partei bereitet. Aber auch weitere Haltungen in der Regierung und Opposition haben die öffentliche Debatte weit nach rechts gerückt. Insbesondere junge AfD-Wähler*innen fühlen sich dadurch in ihrer Position bestätigt und empfinden die Partei als Teil eines legitimen politischen Spektrums. Diese Entwicklung hat zu einer „Normalisierung“ der AfD geführt, so der Generationsforscher Maas. Laut seiner Jugendwahlstudie 2024 wird die Unterscheidung zwischen Mitte und rechter Seite inzwischen weniger deutlich. Parteien wie die AfD erscheinen für diese Wähler*innengruppe nicht mehr als extrem, sondern zunehmend als Teil der politischen Mitte.

Es soll sich in diesem Text für theoretische Ansätze stark gemacht werden, die gesellschaftlichen Phänomene wie den „Rechtsruck der Jugend“ im Kontext politischer Interventionen diskutieren. Von der Bundesrepublik wird und wurde mit der Produktion von Vorurteilen und Feindbildern sowie mit Ausgrenzungsstrategien auf Arbeitsmigration und politische Geflüchtete reagiert. Eine solche strukturelle Diskriminierung fördert feindliche und autoritäre Einstellungen, die sich in institutionellen Praktiken und gesellschaftlichen Normen manifestiert. Das Problem der Erstarkung rechtspopulistischer Parteien darf nicht auf Jugendliche reduziert und isoliert werden. Diese Verkürzung blendet die politische Dimension des Phänomens aus. Solange rechtsextremistische Einstellungen bei Jugendlichen nicht als Teil einer generationsübergreifenden gesellschaftlichen Realität wahrgenommen werden, bleibt die Auseinandersetzung oberflächlich und dient bestenfalls einer Alibifunktion.

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