UfU Informationen | Ausgabe 12 – Juli 2024 | Redaktion

Vorwort der Redaktion

Liebes UfU-Mitglied, liebe(r) Freund*in,

Viel ist passiert seit Januar diesen Jahres. In England, Frankreich und der Europäischen Union wurden neue Parlamente gewählt. Der Krieg in Israel und Gaza hat neue Ausmaße angenommen und zu weltweiten Protesten an Universitäten und auf der Straße geführt. Ungarn hat die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ein Klimaurteil gesprochen. Unsere Bundesregierung konnte sich in letzter Minute auf einen Haushalt einigen und eine Regierungskrise abwenden. Und in der letzten Zeit liegt ein großer Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit auf den immer skurriler erscheinenden Wahlkampf in den USA. Ein Attentat auf Donald Trump, eine klägliche und vom Niveau kaum zu unterbietende Presidential Debate und ein republikanischer Parteitag der schlimmes befürchten lässt.

All die Dinge, die im letzten halben Jahr passiert sind einzuordnen, würde den Rahmen eines Vorwortes sprengen. Jedoch lassen die aktuellen weltpolitischen Ereignisse den Klimawandel teilweise in den Hintergrund rücken.

Auf der einen Seite ist dies durchaus verständlich. Dramatische Bilder aus Kriegen, aufgeheizte Diskussionen um Migrationsströme, Wohnraumknappheit und die Schuldenbremse, entscheidende Wahlen in unseren Nachbarländern und nicht zuletzt die ökonomische Situation vieler Menschen auch in Deutschland haben in der öffentlichen Diskussion ihre Daseinsberechtigung und nehmen viel Platz ein.

Auf der anderen Seite beobachten wir aber, dass der Raum für Zivilgesellschaft und engagierte Vereine und Verbände weltweit kleiner wird, dass Meinungen und Parteien populärer werden, welche den Klimawandel leugnen oder als zweitrangig bzw. einfach gegeben ansehen und Menschen, die sich für Schutz von Umwelt und Natur einsetzen, immer mehr Anfeindungen ausgesetzt sind, auch in Deutschland. Gegen diese Entwicklung müssen wir uns aktiv zur Wehr setzen. In Indien sind im Mai Temperaturen von über 50 Grad gemessen worden, es war der heißeste Mai seit Wetteraufzeichnung vor 122 Jahren. In Pakistan sind mehr als 1000 Menschen an der schlimmsten Hitzewelle seit 35 Jahren gestorben. Auf der Pilgerfahrt nach Mekka erlagen 1300 Menschen der unerträglichen Hitze von 51,8 Grad im Schatten und globale Messungen ergeben, dass die Erderwärmung seit einem Jahr die 1,5 Grad überschreitet und damit die letzten zwölf Monate die wärmsten Monate seit Aufzeichnungsbeginn sind.

Diese Auswirkungen des Klimawandels treffen uns in Deutschland aktuell zwar schwächer, als in Ländern des globalen Südens, aber letztlich werden wir bereits jetzt mehr und mehr mit ihnen konfrontiert.

Uns ist bewusst, dass die oben genannten Themen der aktuellen politischen Debatten eine zentrale Rolle im Leben von vielen Menschen spielen. Wer dringend eine Wohnung sucht, neben der Arbeit mit Bürgergeld aufstocken muss, sich politisch gegen Extremismus engagiert oder mit anderen Herausforderungen zu kämpfen hat, mag den Klimawandel als zweitrangiges Problem ansehen oder einfach nicht die Kapazitäten dafür haben.

Jedoch muss vor Politik gewarnt werden, welche auf diese Probleme allzu einfache Lösungen, oft auf Kosten von Umwelt und Natur präsentiert. Wer auf schwächelnde Wirtschaftsleistungen mit dem Ausstieg aus dem Verbrenneraus reagiert, auf mangelnden Wohnraum mit neuen Baugesetzen, welche das Bauen in Naturschutzgebieten erlauben oder bei Haushaltsverhandlung die Kürzung von Bürgergeld und Bezahlkarten für Flüchtlinge vorschlägt, hat die Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Umwelt nicht verstanden und schafft sich mit der vermeintlichen Lösung eines Problems gleich ein weiteres. Nur wer einen ganzheitlichen Blick auf die Herausforderungen unserer Zeit hat, wird sinnvolle Lösungen finden können.

Als progressives Umweltinstitut sehen wir das Feld unserer Forschung deswegen nicht monothematisch auf den Klimawandel begrenzt. Selbstverständlich spielen die oben genannten Themen in unserer Forschung eine Rolle. Denn kaum ein gesellschaftlicher Bereich ist vom Fortschreiten der Klimakrise nicht betroffen.

Beispiele hierfür gibt es genug. In zahlreichen Projekten des UfU zeigen wir, welche Ansätze gewählt werden können, um dem Klimawandel zu begegnen und gleichzeitig gesellschaftliche Strukturen und ihre damit verbundenen Problemfelder nicht außer Acht zu lassen. Unser Projekt RevierUpgrade arbeitet mit jungen Menschen in ostdeutschen Kohlerevieren zum Strukturwandel und ihren Vorstellungen der Entwicklung ihrer Region. Unser Umweltgerechtigkeitsatlas hat die Auswirkungen des Klimawandels auf die Berliner Stadteile untersucht und mit Einkommensverhältnissen in Relation gesetzt. Unser Projekt (Weiter-)Bildung für den Natürlichen Klimaschutz arbeitet mit Erzieher*innen, Lehrer*innen sowie andere Pädagog*innen aus dem schulischen wie außerschulischen Bereich, um den Themenkomplex „Natürlicher Klimaschutz“ in die Bildungsarbeit zu integrieren. Unsere Bildungsarbeit an Berliner Schulen zeigt, wie gemeinsam mit Schüler*innen, Lehrpersonal und Schule Verhaltensweisen untersucht und Potentiale zu Ressourceneinsparungen an Berliner Schulen identifiziert werden können.

Es braucht mehr solcher ganzheitlicher Projekte, welche mit Bürger*innen gemeinsam die eigene Region, die Gemeinde oder die Nachbarschaft entwickeln und damit natürliche Anreize für die Transformation unserer Wirtschaft, aber auch Gesellschaft schaffen.

Wir bedanken uns bei unseren Spender*innen und Mitgliedern für die Unterstützung unserer Arbeit und werben darum, das UfU weiterhin zu unterstützen. Spenden sind für uns freie Mittel, die wir unabhängig von der öffentlichen Hand verwenden können und bedeuten große Freiheit für unsere Forschung.

Jonas Rüffer
Redaktionsleiter