23. September 2022

Auf dem zweiten Workshop zur formalen digitalen Öffentlichkeitbeteiligung in unserem Aarhus-Strong Projekt haben wir uns mit der unterschiedlichen Ausgestaltung der UVP-Portale in Deutschland, Österreich, Estland und Slowenien befasst. Das Aarhus-Strong Projekt hat zum Ziel, die digitale Öffentlichkeitsbeteiligung in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten aktiv zu fördern und nationale Handlungsstrategien für die Weiterentwicklung der Portale zu formulieren. Dazu arbeitet das UfU u.a. mit der slowenischen NGO Pravno-informacijski center nevladnih orga-nizacij / Legal Centre for the Protection of Human Rights and Environment zusammen.

Aarhus Strong Projekt

Die Beteiligung der Öffentlichkeit bei Infrastrukturprojekten ist ein wesentliches Element einer modernen Demokratie und wird EU-Bürgern durch die Aarhus-Konvention zugesichert. Im digitalen Zeitalter, aber auch in Zeiten von weltweiten Pandemien ist es notwendig, den Informationszugang digital einfach zu gestalten, damit Bürger*innen ihre Rechte wahrnehmen können. Maßgeblich für diesen Informationszugang sind sogenannte UVP-Portale, in denen Informationen über große Infrastrukturprojekte wie Autobahnen, Kraftwerke oder Fabriken eingesehen werden können und die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) aufgeführen. Bürger*innen können zu diesen Projekten im Idealfall auf sogenannten Erörterungsterminen Stellung nehmen und ihre Einwände vorbringen.

Im zweiten Workshop wurde neben einem Wettbewerb für Young Professionals die Beteiligungssituation in Deutschland, Estland und Slowenien untersucht.

Deutschland & Österreich

Auch wenn die Rechte der Aarhus-Konvention für alle EU-Bürger*innen gelten, ist der Digitalisierungsgrad der UVP-Portale in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten bisher noch stark unterschiedlich. Frau Dr. Gesa Geißler von der Universität für Bodenkultur Wien untersucht Digitalisierungstrends für UVP-Portale in Deutschland und Österreich. Ihrer Meinung nach sei der Einsatz von sozialen Medien als Informations- und Diskussionsinstrument bei Infrastrukturprojekten zwar wünschenswert, werde aber noch zu selten genutzt. Das UfU hat zudem in vergangenen Projekten (Monitoring Report 2019) bereits festgestellt, dass die Verfahren nur unzureichend in den UVP-Portalen abgebildet werden. Im Jahr 2019 sind von ca. 1.900 neuen Zulassungsverfahren für Infrastrukturprojekte in Deutschland lediglich 409 Verfahren tatsächlich in die entsprechenden UVP-Portale eingetragen worden. Das entspricht einer Quote von 21,5 Prozent.

Monitoring Report 2019 (only available in German)

Estland

Ein gutes Gegenbeispiel liefert Estland, welches als Vorreiter in Digitalisierungsbestrebungen gilt. Frau Kadi Jette Tamjärv, Umwelt Consultant  und Mitglied der Estnischen Vereinigung für Umweltverträglichkeitsprüfungen in Estland, präsentierte die Handhabung in ihrem Land. Die Informationen werden im Vergleich zu den meisten EU-Mitgliedstaaten wesentlich besser und zugänglicher aufbereitet. Auch kann Estland auf längere und vor allem positive Erfahrungen mit digitalen und hybriden Erörterungstermine zurückblicken, was auch Bürger*innen in ländlichen Regionen ermöglicht, ohne lange Anreisezeiten ihr Recht auf Beteiligung wahrzunehmen. Solche und weitere Beispiele werden in den Beteiligungsleitfadenfür Umweltbehörden in EU-Mitgliedstaaten, welcher im Zuge des Aarhus-Strong Projektes entwickelt wird, mit einfließen.

Slowenien

Über den Stand aus Slowenien berichtete Herr Aljoša Petek vom Legal Centre for the Protection of Human Rights and Environment im Workshop. Hier läuft die Umsetzung der Aarhus-Vorgaben teils noch sehr schleppend. Die entsprechenden Portale sind zwar eingerichtet, Dokumente könnenjedoch nicht über die Portale eingesehen oder heruntergeladen werden, sondern müssen bei den entsprechenden Behörden angefragt werden.

Wettbewerb „European Innovation Lab“

Neben der näheren Betrachtung und dem Expert*innenaustausch zur Beteiligungssituation in den verschiedenen Mitgliedstaaten wurde auch die Gewinnerin des „European Innovation Lab“, einem Wettbewerb, der als Teil des Aarhus-Strong Projekts durchgeführt wurde, gekürt. Ziel dieses Wettbewerbs war es, vor allem junge Menschen mit digitaler Erfahrung und verschiedensten fachlichen Hintergründen, in die Gestaltung von Beteiligungsplattformen der Zukunft einzubeziehen und zur Entwicklung neuer Ansätze zu bewegen. Frau Freia Antonia Weiß belegte mit ihrem Modell „Discourse“ den ersten Platz. Die Studentin betont, dass UVP-Portale erst von der breiten Masse angenommen werden, wenn es genügend Austauschmöglichkeiten zwischen den Beteiligten gäbe. In den meisten EU-Staaten ist dies jedoch noch Zukunftsmusik.

Nächste Schritte

In den nächsten Projektschritten wird die Lage der Öffentlichkeitsbeteiligung in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten anhand von Länderreports genauer untersucht und sowohl „Best“ als auch „Worst Practices“ ermittelt. Es folgen weitere Fachaustausche und Expert*innenworkshops, deren Erkenntnisse für die Entwicklung eines innovativen Beteiligungsleitfadens für Umweltbehörden der EU-Mitgliedstaaten genutzt werden.