UfU Informationen | Ausgabe 11 – Januar 2024 | Michelle Grunwald & Winona Bölling

Die Rolle von Emotionen in der Nachhaltigkeitskommunikation

Das Projekt KlimaGesichter zeigt wie das gelingen kann

Unser Verhalten wird von sozialen und persönlichen Normen sowie der Einschätzung von Kosten und Nutzen gesteuert. Dies wirkt sich auch auf verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung unseres ökologischen Fußabdrucks oder die Entscheidung im Sinne der sozial-ökologischen Transformation politisch aktiv zu werden, aus.

In solchen Abwägungsprozessen spielen sowohl unsere rationale als auch unsere emotionale Seite eine wichtige Rolle. Um kognitive Ressourcen zu sparen, routiniert das menschliche Gehirn den Großteil der Aufgaben und Abläufe. Diese automatisierten Gewohnheiten im Denken und Handeln zu reflektieren und nachhaltig zu transformieren, stellt Akteure im Kontext Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) immer wieder vor eine große Herausforderung. Es geht in der Nachhaltigkeitskommunikation darum, die stetig wachsende Komplexität des Themas zu reduzieren, ohne dabei an Evidenz zu verlieren.

Obwohl bereits in vielen Bildungsprojekten Alltagsbezüge und konkrete Handlungsoptionen aufgezeigt werden und Teilnehmende rational wissen, welche negativen Auswirkungen ihr Verhalten auf die Umwelt und die Lebensqualität aller Lebewesen hat, wird das Auto weiterhin als tägliches Transportmittel genutzt, das Geld routinemäßig bei nicht-nachhaltigen Banken angelegt und das politische Engagement für mehr Klimaschutz bleibt aus. Zwischen Wissen und Verhalten besteht eine Lücke, die es zu schließen gilt. Emotionen haben in diesem Kontext eine wichtige Bedeutung als Motiv ins Handeln zu kommen und können Motivationsprozesse wirksam beeinflussen.

Persönliche Emotionen und real erlebte Gefühlszustände können uns das Ausmaß und den Ernst einer Situation viel deutlicher bewusstmachen und sind somit mächtige, häufig unterschätzte Antriebskräfte. Da die negativen Auswirkungen und Folgen der Klimakrise global unterschiedlich stark ausgeprägt sind, kann das Sichtbar- und vor allem Spürbarmachen der Lebensrealitäten von Betroffenen die zeitliche, räumliche und soziale Distanz verringern.

In unserem Projekt KlimaGesichter, das wir im Verbund mit der Deutschen KlimaStiftung realisieren und von der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert wird, geben Menschen mit Flucht- oder Migrationserfahrung Workshops in denen sie authentisch und persönlich über Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Klimawandel in ihren Herkunftsländern berichten. Mit Hilfe des Storytelling-Ansatzes werden in ihren Geschichten nicht nur Informationen transportiert und Probleme erklärt, sondern vor allem Emotionen und Nähe zwischen ihnen, dem Thema und der Zielgruppe hergestellt. Das für viele noch abstrakte Phänomen der Klimakrise wird plötzlich greifbar und erfahrbar, wenn es diesen persönlichen Bezug gibt. Die Methode besitzt das große Potenzial, Menschen beim Zuhören emotional zu berühren und Empathie in ihnen auszulösen. Dieses Mitgefühl und der Perspektivwechsel erzeugen ein Gefühl gegenseitiger Verantwortung und Verständnis und helfen, die intrinsische Motivation für Veränderungen zu fördern. Vor allem wenn wir einander auf Augenhöhe begegnen und wertebasierte Gemeinsamkeiten mit unserem Gegenüber finden, können wir gemeinsam und aktiv ins Handeln für mehr Klimaschutz kommen.

Klimaflucht und -migration

Eine Welt, die sich im Durchschnitt über 1,5°C zum vorindustriellen Niveau erhitzt, ist geprägt von Regionen, die keinen Lebensraum mehr für Menschen bieten können. Naturkatastrophen und steigende Temperaturen tragen dazu bei, dass Teile der Erde nicht mehr bewohnbar sind. Dabei wird zwischen zwei Arten der Veränderung unterschieden. Langsam einsetzende Veränderungen (slow-onset) sind bspw. Temperatur- und Meeresspiegelanstieg. Schnell einsetzende Veränderungen (fast-onset) sind Vorkommnisse wie Flutkatastrophen und Stürme. Anpassungsstrategien an die sich verändernden Lebensräume sind essentiell, wenn nicht sogar lebensrettend. Eine Flucht aus Krisengebieten und eine langfristige Migration als Reaktion ist ein Prozess, der häufig in erster Linie innerhalb des betroffenen Landes stattfindet, z.B. aus ländlichen Gebieten in Städte oder aus Küstenregionen in das Landesinnere.

Interessierte finden mehr Informationsmaterial unter: klimagesichter.de/materialien 

Die Workshops im Projekt KlimaGesichter fanden 2023 unter anderem auf Bildungsveranstaltungen wie der Zukunftsakademie in Freiburg oder der Fairen Woche in Braunschweig statt – viele weitere werden hoffentlich folgen. Die größte Veranstaltung dieses Jahr (15. bis 17. September) wurde in Münster abgehalten: Dort entstand in Kooperation mit dem interkulturellen Chor TRIMUM und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe ein musikalischer und kultureller Austausch. In mehreren Musik-Workshops wurde eine Zusammenarbeit entwickelt, die über Worte hinaus mit Musik gefüllt wurde und am Sonntag mit einem Konzert endete.

In der laufenden Projektphase möchten wir darüber hinaus eine internationale Teilnahme am Projekt ermöglichen und gemeinsam Vorhaben und Kampagnen mit engagierten Klimaschutzbotschafter*innen in ihren Heimatländern entwickeln. Dazu bieten wir regelmäßig Online-Qualifizierungen und Räume zum Austausch an und haben ein Zukunftsbündnis zum Thema Klimamigration mit unterschiedlichen Akteur*innen initiiert, die sich zentral mit den Themen Klimawandel und Migration beschäftigen.

Das Zukunftsbündnis soll gleichzeitig den Rahmen für eine Veranstaltungsreihe mit innovativen und emotional ansprechenden Bildungs- und Vermittlungsformen bilden, in der die KlimaGesichter als Sprachrohr für weltweit vom Klimawandel betroffene Personen eingebunden werden. Weitere Artikel und Informationen sind auf der Website klimagesichter.de und auf den Sozialen Medien unter @klimagesichter zu finden.