UfU Informationen | Ausgabe 11 – Januar 2024 | Redaktion

Vorwort der Redaktion

Liebes UfU-Mitglied, liebe(r) Freund*in,

Dieses Jahr, welches für Deutschland in vielerlei Hinsicht ein entscheidendes sein wird, beginnt holprig, mit Emotionen und Spannungen.

Als Umweltinstitut gehen die gegenwärtigen Bauernproteste nicht spurlos an uns vorüber. Landwirt*innen äußern mit Demonstrationen ihren Unmut gegen ihre finanzielle Lage und gegen die Kürzung beim Agrardiesel.

Den Unmut verstehen wir. Doch bei allem Verständnis für die Lage der Landwirt*innen muss konstatiert werden: Klimaschädliche Subventionen müssen abgebaut werden.

Aus unserer Sicht gehen in der medialen und politischen Debatte zwei entscheidende Faktoren unter, welche Landwirt*innen überhaupt erst in die Lage bringen, gegen Subventionskürzungen zu demonstrieren:

  1. Die prekäre finanzielle Lage der Landwirt*innen entsteht nicht durch Kürzungen beim Agrardiesel, sondern durch eine jahrelange verfehlte Agrarpolitik in Deutschland und der EU. Solange Landwirt*innen durch milliardenschwere weiterverarbeitende Betriebe und Lebensmittelkonzerne gezwungen werden, ihre Produkte zu niedrigsten Erzeugerpreisen zu verkaufen, auf Kosten von Natur und Tier immer weiter zu wachsen und immer günstiger zu produzieren, wird es Landwirt*innen schlecht gehen. Erzeuger*innen müssen in der Lage sein, ihre Produkte unabhängig von großen Konzernen zu fairen Preisen zu vertreiben. Der von der FDP als Lösung vorgeschlagene Abbau von bürokratischen Hürden meint in Wahrheit nur: Weniger Klimaschutz, weniger Biodiversitätsschutz, weniger Gesundheitsschutz und schlechtere Tierhaltung. Dadurch ist für den Boden, die Landwirtschaft und die Menschen auf Dauer nichts gewonnen.
  2. Die Kürzungen im Agrardiesel sind eine direkte Auswirkung der Schuldenbremse, für welche maßgeblich die große Koalition verantwortlich ist und nicht die Ampelregierung. Eine Transformation der Höfe wird aber ohne Bezuschussung nicht möglich sein.

Möchten wir Landwirt*innen wirklich helfen und gleichzeitig unsere Klimaziele erreichen, dann müssen wir die Landwirtschaft transformieren, auch mit Geldern der öffentlichen Hand. Regionalität, Ökolandbau und gleichzeitig faire Erzeugerpreise für Landwirt*innen. Das bedeutet auch eine Veränderung der Subventionskultur: Werden Subventionen in Zukunft an Kriterien wie Tierwohl, Ausmaß der Düngung, Art des Anbaus und andere nachhaltige Standards geknüpft und nicht mehr an die Größe der Betriebe, dann kommen wir weg von einem „Wachse oder Weiche“. Die Klimabewegung und Landwirtschaft sollten und dürfen nicht als Gegensatz betrachtet werden.

Dieser Tage gehen in Deutschland auch zahlreiche Menschen auf die Straße, um gegen Faschismus, Rechtsextremismus und gegen die AfD zu demonstrieren. Insbesondere im Osten Deutschlands, erzielt die AfD inzwischen hohe Umfragewerte. Vor dem Hintergrund dreier anstehender Landtagswahlen in Ostdeutschland sind diese Zahlen besorgniserregend. Als Umweltinstitut mit ostdeutscher Vergangenheit und einem Büro in Halle (Saale) begrüßen wir diese Demonstrationen. Es ist gut und es wichtig, dass Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen.

Aus unserer Sicht darf jedoch nicht vergessen werden, dass aus und nach diesem Protest auch politische und gesellschaftliche Konsequenzen folgen müssen. Für jeden Einzelnen von uns. Es ist Aufgabe der Regierung und Opposition, die AfD politisch zu stellen und zu demaskieren. Nicht indem man ihre Themen ebenfalls bedient, sondern indem man aufzeigt, dass die AfD keine brauchbaren Lösungsvorschläge für die Probleme unserer Zeit hat. Es ist Aufgabe eines jeden Politikers nicht nur  gegen die AfD zu demonstrieren, sondern auch selber Lösungen für die Menschen anzubieten, die aus Perspektivlosigkeit, Ratlosigkeit, Enttäuschung oder anderen Gründen die AfD wählen. Es ist Aufgabe der Klimabewegung die Menschen abzuholen, welche Sorge um ihre Existenz oder Angst vor Veränderung haben und sich durch die von der Klimabewegung geforderten Maßnahmen bedroht fühlen. Es ist Aufgabe eines jeden Einzelnen, im privaten Umfeld die Diskussion mit Menschen zu suchen, welche die AfD wählen und mit ihnen zu sprechen, zu diskutieren und wirkliche Alternativen aufzuzeigen.

Sonst droht, was so oft droht: Wir kochen unser eigenes Süppchen. Die Proteste erreichen nur diejenigen, die sowieso schon überzeugt sind und am Ende wird man bei hohen Landtagswahlergebnissen der AfD enttäuscht konstatieren müssen: Das gemeinsame Unterhaken, singen und demonstrieren gegen Rechts, es war doch etwas zu einfach. Mit breiter Zustimmung im eigenen Freundes– und Bekanntenkreis lässt sich doch zu leicht demonstrieren…

Wir kommen nicht drum herum, uns mit den Menschen, die wir an die AfD verloren haben auseinanderzusetzen. Sowohl in der Politik, als auch im Privaten muss der Kampf gegen die AfD geführt werden. Dabei helfen Zuschreibungen à la „Alle AfD-Wähler sind Nazis“ genauso wenig, wie die kläglichen Versuche mancher Parteien, der AfD Wählerstimmen abzujagen, indem sie ebenfalls rechte Ressentiments bedienen, diese nur durch eine etwas andere Wortwahl anfärben.

Wir müssen besser zuhören. Wir müssen die Sorgen anderer Menschen ernstnehmen, ohne sich gleich für vermeintliches Unwissen abzukanzeln. Es wird sich herausstellen, die Gesellschaft ist weniger gespalten, als allgemein angenommen.

Es wird ein spannendes Jahr. Die Wahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen werden die politische Landschaft verändern. Die Schuldenbremse und damit verbunden Veränderungen im KTF werden nicht nur NGOs vor Herausforderungen stellen. Und nicht zuletzt blicken wir gespannt auf die Wahlen in den USA und die sich damit verändernde Lage hierzulande und in der Welt.

Dieses Jahr kann vieles verändern. Zum Positiven, wie Negativen.

Jonas Rüffer
Redaktionsleiter