UfU Informationen | Ausgabe 8 – März 2023 | Geschäftsführung

Vorwort der Geschäftsführung

Liebes UfU-Mitglied, liebe(r) Freund*in,

Es sind wahrhaft stürmische Zeiten in welchen wir leben. Während ausgelöst durch einen Krieg der inzwischen die ganze Welt beeinflusst, Wirtschafts- und Energiekrisen entstehen, läuft uns langsam aber stetig die Zeit für die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels davon. Tausende Menschen protestierten in Lützerath gegen das Abbaggern des Weilers von RWE und die Erschließung der unter dem Dorf liegenden Kohle und eine neue Gruppierung, „Die letzte Generation“ löst durch ihre umstrittenen Protestformen Debatten über zivilen Ungehorsam aus.

Uns ist bewusst, dass die neue Bundesregierung durchaus bessere Startvoraussetzungen hätte gebrauchen können, als ein permanentes Feuerlöschen im letzten Jahr. Trotzdem muss, bei aller Rücksicht auf Inflation, Energiekrise und einem tobendenden Krieg in Europa, nach einem Jahr Ampelregierung konstatiert werden: Vom Koalitionsvertrag ist nicht mehr viel übriggeblieben. Der Krieg in der Ukraine hat den politischen Fokus verschoben und die Politik der Bundesregierung stark beeinflusst. 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, 200 Milliarden Euro für die Energiekrise, Tankrabatt, Aussetzung der CO2-Steuererhöhung, neue Gasverträge mit Qatar, LNG Terminals die mit Fracking-Gas aus den USA beliefert werden – alles Maßnahmen die aufzeigen, wie abhängig wir noch von fossilen Energieträgern sind. Für jede dieser aufgezählten Maßnahmen lassen sich Begründungen finden, warum diese notwendig waren. Gleichzeitig wird jedoch auch klar: Die Bundesregierung versucht mit diesen Maßnahmen vor allem, unseren Status Quo zu bewahren.

Es fehlt jedoch nach wie vor an Politik, die zukunftsweisend Veränderungen anstößt. Weiterhin ist es beispielsweise möglich, dass die Berliner Schulbauoffensive bis zu 700 Millionen Euro im Jahr für Schulbau und Schulerhalt in Berlin ausgeben will[1], ohne Klimaschutz in diesem Programm zu verankern, obwohl im Sektor Bauen dringend die Emissionen gesenkt werden müssen. Weiterhin fehlt es an einem politischen Plan für eine Verkehrswende, der Verkehrssektor verfehlt jedes Klimaziel um Längen. Immer wieder wird Planungsbeschleunigung zu einseitig betrachtet und versucht, die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger*innen zu beschneiden. Dies führt bei vielen Menschen, vor allem den Jüngeren, nicht nur zu Frustration sondern auch zunehmend zu Climate Anxiety.

Unter Climate Anxiety, zu Deutsch „Klimaangst“ versteht man „das zunehmende Gewahr werden, das die ökologische Grundlage unser Existenz im Prozess des Zusammenbrechens sind“.[2] Diese Angst betrifft immer mehr junge Menschen auf der Welt und nimmt auch in Deutschland zu. Laut einer Studie der Barmer Krankenkasse kämpfen 68 Prozent der Jugendlichen in Deutschland mit großer oder mittelgroßer Angst vor dem Klimawandel.[3] In anderen Ländern zeigen Studien dieselben Ergebnisse. In einer Studie aus dem Jahr 2021 wurden 10.000 Jugendliche im Alter zwischen 16 und 25 Jahren aus zehn Ländern zu ihrer Einstellung zum Klimawandel befragt. Dabei zeigt sich ein düsteres Bild dieser Jugendlichen in Bezug auf ihre eigene Zukunft und das Vertrauen, dass diese Menschen in ihre Regierungen haben: 65 Prozent geben an, dass ihre Regierung junge Menschen im Stich lässt, 64 Prozent geben an, Regierungen lögen über die Auswirkung der ergriffenen Maßnahmen und 60 Prozent der Jugendlichen finden, die eigene Regierung täte die Not der Menschen ab. Gleichzeitig glauben nur 36 Prozent der Befragten, dass Regierungen wissenschaftlich handeln würden.[4]

Ist es also wirklich so verwunderlich, dass Gruppen wie die letzte Generation immer mehr Zulauf bekommen? Und was sagt es über eine Gesellschaft aus, die es nicht nur hinnimmt, dass die Mehrheit ihrer jungen Bürger*innen große Zukunftsängste hat, sondern bei dem ersten Auflehnen dieser Menschen nach Freiheitsstrafen für die Störenfriede ruft? Man mag darüber streiten, ob die letzte Generation dem Klimawandel nun einen Bärendienst erweist oder nicht, man kann sich auch durchaus von Straßenblockaden und anderen Aktionsformen der Gruppierung gestört fühlen. Aber die Bekämpfung dieser Gruppen behandelt allenfalls das Symptom, nicht die Krankheit. Auf lange Sicht ist es demokratiegefährdend, wenn sich eine gesamte Gruppe der Gesellschaft, in diesem Fall junge Menschen, nicht richtig wahrgenommen fühlt. Wer sich ein friedvolles Zusammenleben, auch zwischen den Generationen wünscht, muss dafür sorgen, dass junge Menschen teilhaben, dass sie sich Hoffnungen und Pläne für die eigene Zukunft machen können und dass ihre berechtigten Ängste und Sorgen ernst genommen werden. Dies erfordert politisches und gesellschaftliches Umdenken von uns und vor allem von den älteren Generationen. Unser Handeln und unsere Politik muss zukunftsgewand sein und alle Menschen von jung bis alt mitnehmen und sich mit Blick auf die Einhaltung der Klimaziele verändern. Ansonsten geben wir unseren jungen Menschen weiterhin das Gefühl der Stagnation. Ansonsten laufen wir Gefahr, dass diese Menschen den Glauben in unsere Gesellschaft, Demokratie und unser Werte verlieren. Dann wird die letzte Generation nicht die letzte Gruppierung dieser Art sein.

Florian Kliche & Dr. Michael Zschiesche
UfU Geschäftsführer

 

   

 

[1] Senatsverwaltung für Finanzen 2022, Die Schulbauoffensive des Berliner Senats

[2] Amelia Browne 2022, Earth Org, What is Climte Anxiety?

[3] Helmut Broeg 2022, Stern, Was wissen wir eingentlich über Klimaangst?

[4] Forschung und Lehre 2021, „Klimaangst“ weit verbreitet unter jungen Menschen?