UfU Informationen | Ausgabe 5 – Juni 2022 | Fachgebiet Umweltrecht & Partizipation

Daten und ihre Bedeutung für Umwelt– und Klimaschutz

Der neue Ansatz in Berlin Daten zu regulieren

Digitalisierung und die sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft sind die beiden Megatrends der Gegenwart.

Es gibt kaum noch Bereiche, in welche die Digitalisierung noch nicht vorgedrungen ist. Neue Anwendungen, wirtschaftliches Handeln und auch die Gesellschaft selbst kommen nicht mehr ohne Daten und deren Verarbeitung aus.

Dasselbe gilt für die sozial-ökologische Transformation. Kaum ein Bereich in unserer Wirtschaft kann es sich noch leisten, nicht über planetare Grenzen, Klimaschutz und die Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit nachzudenken. Kaum ein Bereich unseres gesellschaftlichen Lebens wird in Zukunft ohne jede Veränderung in Hinblick auf Nachhaltigkeit bestehen können.

Diese Megatrends mag man gut oder schlecht finden, sie mögen sogar Unsicherheit und Skepsis erzeugen und für diese Reaktionen gibt es verständliche Gründe. Ganz gleich, wie man der Digitalisierung oder der Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft jedoch gegenübersteht, Fakt ist: Beide Trends sind da und werden sich in den nächsten Jahren verstärken. Daraus ergeben sich für uns als Gesellschaft wichtige Aufgaben, hinsichtlich Klima– und Umweltschutz, aber auch in Hinblick auf Partizipation, Demokratie und Machtverhältnisse.

In dem Ecornet-Projekt „Datengovernance- und -regulierung für ein nachhaltiges Berlin“ geht das UfU deshalb gemeinsam mit dem Öko-Institut, dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) sowie dem Ecologic Institut der Frage nach, wie der Zugang zu und die Nutzung von Daten in Berlin im Interesse der Nachhaltigkeit gesteuert und reguliert werden können.

Daten können sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf Klimaneutralität und Nachhaltigkeit haben

Warum beschäftigen wir uns mit dem Thema Daten und Digitalisierung? Für den Aufbau einer nachhaltigen und klimaneutralen Gesellschaft wird es in Zukunft entscheidend darauf ankommen, die Digitalisierung in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen. Denn digitale Innovationen haben das Potenzial den Umwelt- und Klimaschutz zu stärken (z.B. durch intelligente Verkehrsleitsysteme) aber auch als Brandbeschleuniger zu wirken, indem sie klimaschädliches Verhalten weiter befeuern.

Ein Beispiel: Daten sind der Rohstoff der Digitalisierung und die Grundlage für die Entwicklung digitaler Anwendungen. Ob sich die Potenziale der Digitalisierung für die sozial-ökologische Transformation verwirklichen können, hängt daher nicht zuletzt davon ab, wer zu welchen Zwecken Zugriff auf welche Daten hat. So macht es einen erheblichen Unterschied, ob Verbrauchsdaten (etwa zu Wasser oder Strom) genutzt werden, um eine gewinnmaximierende Preisgestaltung zu erreichen oder um Strategien zur Verbrauchsreduzierung zu entwickeln.

Als weiteres Beispiel lassen sich Gesundheitsdaten nennen. Auf der Grundlage von diesen sensiblen Informationen können sowohl soziale Ungleichheiten als auch gesundheitsschädliche Umweltbelastungen gezielt bekämpft werden. Gleichzeitig könnten Versicherungen diese Daten aber dazu benutzen, Versicherungstarife negativ für diejenigen anzupassen, die stärkeren Belastungen und damit auch Risiken ausgesetzt sind.

Vor diesem Hintergrund hat das UfU gemeinsam mit seinen Partnerinstituten die Verwendung von Daten im Sinne der Nachhaltigkeit untersucht und für das Land Berlin konkrete Handlungsempfehlungen formuliert. Diese Empfehlungen sollen es dem Land in Zukunft erleichtern, Daten zu regulieren, Institutionen für den Umgang mit Daten zu schaffen und eine höhere Datensouveränität der Bevölkerung über die eigenen Daten zu ermöglichen.

Die Bedeutung von Daten: Wer was mit Ihnen machen darf und kann

Im Projekt wurden zunächst sogenannte Datenprinzipien entwickelt, die der Politik als Leitbilder dafür dienen können, wie in Zukunft mit Daten umgegangen wird und wie diese reguliert werden. Die entwickelten Datenprinzipien sind:

  • Individuelle und öffentliche Datensouveränität
  • Staatliche Datenverantwortung
  • Datentransparenz
  • Datensolidarität
  • Datensuffizienz

Besonders vielversprechend scheint die Idee zu sein, in Zukunft die Bürger*innen stärker als bislang über die Verwendung ihrer Daten entscheiden zu lassen. Denn viele Daten, mit denen Unternehmen arbeiten, werden von Bürger*innen erzeugt, die gegenwärtig bei der weiteren Verwendung ihrer Daten aber zumeist keine wirksamen Mitspracherechte haben.

Erste Erfahrungen zeigen, dass dies für eine nachhaltige Digitalisierung ein großer Vorteil sein könnte. Denn viele Menschen sind bereit, ihre Daten für Gemeinwohlzwecke zur Verfügung zu stellen, wie sich z.B. in der Corona-Krise bei der „Datenspende -App“ gezeigt hat.

Die verschiedenen Handlungsempfehlungen

Auf Grundlage unserer Forschungsergebnisse haben wir im nächsten Schritt die konkreten Handlungsempfehlungen für das Land Berlin formuliert, wie in Zukunft mit Daten umgegangen werden soll. Dazu sind wir in einen intensiven Austausch mit Praxisakteuren aus den Sektoren Gesundheit, Mobilität, Kreislaufwirtschaft und kommunale Infrastrukturen gegangen. In jedem dieser Sektoren wurde unter anderem ein halbtägiger Workshop durchgeführt, in dem die Ergebnisse und Ideen des Projektteams vorgestellt und anhand einer Praxisanwendung diskutiert wurden.

Das UfU war zuständig für den Gesundheitssektor und diskutierte mit Teilnehmenden aus Senat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über den Berliner Umweltgerechtigkeitsatlas, der unter anderem gesundheitsrelevante Umweltbelastungen in der Stadt enthält.

1. Daten für die Stadt verfügbar machen

Wie weiter oben beschrieben, sind Daten heutzutage Rohstoffe für Innovation, gutes wirtschaftliches Handeln und haben großes Potential im Sinne der Nachhaltigkeit genutzt zu werden. Aus diesem Nutzen ergibt sich der Anspruch, dass die Länder bei der Ausschreibung und Vergabe von Leistungen Zugriff auf die Daten haben sollten, die einen besonderen öffentlichen (Nachhaltigkeits-)Nutzen für das Land haben.

2. Kapazitäten und Infrastruktur aufbauen

Als weitere Handlungsempfehlung wurde der Aufbau einer gewissen Dateninfrastruktur genannt. Um die Daten, die den Ländern zukünftig zukommen sollen, bearbeiten und für Regulierung nutzen zu können, empfiehlt sich der gezielte Aufbau von Kompetenzen und Strukturen innerhalb der Verwaltung. Denkbar wäre etwa die Einrichtung einer Berliner Datenagentur, welche die Aufgabe haben könnte, die Berliner Behörden zu koordinieren und den Datenstrom zwischen verschiedenen Akteuren (Bürger*innen, Unternehmen, Verbände, Verwaltung) gemeinwohlverträglich zu kanalisieren.

3. Datentreuhänder einrichten

Auf Grundlage der erforschten Ergebnisse über die freiwillige Spende von Daten für gemeinnützige Zwecke wurde eine weitere Handlungsempfehlung formuliert: Die Einrichtung eines Datentreuhänders, der Daten im Interesse der Bürger*innen verwaltet. Dies soll Bürger*innen eine verbesserte Kontrolle darüber geben, welche ihrer Daten für welche Zwecke verwendet werden dürfen. Datentreuhänder könnten verschiedene Institutionen sein, die sich am Gemeinwohlzweck orientieren und keinerlei Gewinnabsichten haben. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, dass Bürger*innen mit einer App, ihre Daten zu einem bestimmten Zweck an die Datentreuhänder senden können, welche die Daten dann zweckgebunden verwalten und weitergeben.

In der zweiten Projektphase wird es darum gehen, das Prinzip der Datentreuhänder in Zusammenarbeit mit Praxisakteur*innen zu entwerfen. Dafür werden rechtliche, organisatorische und technische Fragen untersucht und mit Praxispartner*innen in einem transdisziplinären Prozess entwickelt. Wir hoffen, dass wir bald schon ein konkretes Modell für ein Datentreuhänderkonzept vorweisen können.

Das Projekt ist eines der ersten Projekte, das Datenregulierung und Nachhaltigkeit zusammendenkt. Es ist wichtig, das umweltschädliche, aber auch nützliche Potential von Daten frühzeitig zu erkennen und zu regulieren. Auf diese Weise können die Daten bewusst nachhaltigen Innovationen dienen und werden nicht zur Schützenhilfe ohnehin bestehender Probleme.