UfU Informationen | Ausgabe 4 – Dezember 2021 | Fachgebiet Umweltrecht & Partizipation

Deine Umweltstimme in Europa

Wie lassen sich Beteiligungsrechte und der Zugang zu Gericht stärken?

Seit dem 1. Juli 2020 hatte Deutschland gemeinsam mit Portugal und Slowenien die sogenannte EU-Trioratspräsidentschaft inne. Das heißt 18 Monate lang übernahmen die drei Mitgliedstaaten nacheinander den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Umweltbewegungen erhofften sich viel von dieser Ratspräsidentschaft, vor allem aber die Stärkung der Beteiligungsrechte auf EU-Ebene.

Hintergrund

Bei dem Recht auf Beteiligung geht es darum, dass die Zivilgesellschaft an Gesetzgebungsprozessen, Zulassungsentscheidungen oder anderer Politik mitwirken kann. Denn die politischen Entscheidungen aus Brüssel haben mitunter großen Einfluss auf unsere Gesundheit oder Umwelt. Richtige Mitwirkung bedeutet, dass Bürger*innen und Verbände ihre Stimme für den Umwelt-, Klima- und Naturschutz einbringen können und dass diese bei politischen Entscheidungen auch berücksichtigt wird. Ansonsten droht die Gefahr im politischen Diskurs, dass Belange der Zivilgesellschaft nicht oder zu wenig berücksichtigt werden.

Um Beteiligung möglich zu machen, muss zuerst der Zugang zu (Umwelt-)Informationen gesichert sein. Denn ohne ausreichenden Zugang zu Informationen, kann echte Partizipation nicht stattfinden.

Eine weitere Hürde sind die Prozesse in der Europäischen Union. Diese sind nicht sehr leicht nachzuvollziehen, technokratisch und benötigen Vorkenntnisse, worunter die Beteiligungsmöglichkeiten leiden. Umweltverbände fordern deshalb schon lange, dass die Beteiligungsrechte der Zivilgesellschaft auf EU-Ebene endlich gestärkt werden.

Die Aarhus-Konvention

Diese Forderung der Umweltverbände beruht vor allem auf der Aarhus-Konvention. Die Europäische Uni-on unterzeichnete 1998 diesen völkerrechtlichen Ver-trag und genehmigte ihn 2005. In der Aarhus-Konvention sind das Recht auf Umweltinformationen, die Einbindung in Rechtsetzungsverfahren und nicht zuletzt der Zugang zu Gerichten erstmals im Völkerrecht verankert. Mit der Aarhus-Konvention steht der europäischen Bevölkerung beispielsweise das Recht zu, rechtliche Schritte einzuleiten, wenn gegen Umweltgesetze verstoßen wird. Auch auf Beteiligung wird in der Konvention wert gelegt. Die Zivilgesellschaft muss auf europäischer Ebene in umweltpolitische Prozesse und Rechtsetzungsverfahren eingebunden sein, das heißt, sie muss informiert werden und die Möglichkeit haben, eigene Ideen effektiv einbringen zu können.

Doch internationaler Vertrag ist nicht gleich Realität. Die Umsetzung der Aarhus-Konvention scheitert an drei wichtigen Punkten: Zugang zu Gerichten, inklusive digitale Beteiligung und Informationsdefiziten.

Alle Infos zur Aarhus-Konvention

YouTube-Erklärserie: https://bit.ly/3xkgAjz

Aarhus Webseite:
www.aarhus-konvention.de

Zugang zu Gerichten in Umweltfragen

Der Zugang zu europäischen Gerichten im Umweltbereich weist für Bürger*innen und Umweltverbände noch enorme Defizite auf. Mehrfach wurde die Europäische Union deswegen nicht nur öffentlich kritisiert, sondern auch von den Vereinten Nationen angemahnt, den Zugang zu erweitern. Das ist mit der im Oktober 2021 überarbeiteten Aarhus-Verordnung nur zu Teilen geglückt. Immer noch sind die Zulassungsvoraussetzungen, um EU-Entscheidungen überprüfen lassen können, so anspruchsvoll, dass nur wenige zivile Kontrollverfahren überhaupt gestartet werden können. Für Umwelt-NGOs sieht die Situation besser aus, doch trotzdem scheitern alle Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof an dem Zulassungskriterium der fehlenden exklusiven Betroffenheit.

Inklusive digitale Beteiligung

Neben dem Zugang zu Gerichten sieht die Aarhus-Konvention Beteiligungsmöglichkeiten vor. Vereinfacht gesagt: Es muss Anhörungen und Konsultationen geben, bei denen sich die Bürger*innen und Verbände äußern können, ihre Einwände und auch Ideen ein-bringen können. Allerdings stellt die digitale Beteiligung die Bürger*innen und Verbände bisher vor enorme Herausforderungen. Die Online-Konsultationen leiden bisher unter Intransparenz, Bürgerunfreundlichkeit und Technokratie. Zu wichtigen Grundsatzentscheidungen fehlt die effektive Bürgerbeteiligung.

Informationsdefizit

Zuletzt ist das Informationsdefizit entscheidend. Viele Bürger*innen und Umweltverbände wissen zu wenig über ihre Beteiligungsmöglichkeiten auf EU-Ebene. Da es sich hier um komplizierte rechtliche Prozesse handelt, müssen Bürger*innen befähigt werden, sich an diesen Prozessen zu beteiligen. Dazu gehört auch eine ausreichende Aufklärung über die Abläufe der Vorgänge in Brüssel. Leider bemühen sich die Organe der EU nicht ausreichend, diese transparenter durchzuführen und verständlicher darzustellen.

Das Projekt

Aufgrund dieser eingeschränkten Beteiligungsmöglichkeit, startete das UfU im Jahr 2020 das Projekt EU-AarKo. Das Ziel des Projekts war, sich auf der einen Seite auf EU-Ebene für rechtsstaatliche Verfahren und den Umweltschutz stark zu machen. Auf der anderen Seite sollten die komplexen europäischen Vorgänge und Beteiligungsrechte in bürgernahen Informationsmaterialien aufbereitet werden.

Für ersteren Punkt wurden im dem Projekt sogenannte Werkstattgespräche veranstaltet (Die Ergebnisse sind der Projektseite zu entnehmen). Teilnehmende waren die Zivilgesellschaft, Personen aus EU-Regierungen, Jurist*innen und andere Expert*innen. Gemeinsam wurde mit diesen Parteien über eine verbesserte Umsetzung der Aarhus-Konvention diskutiert. Es war uns besonders wichtig, auch die Regierungen in diese Gespräche mit einzubinden. Der Zugang zu juristischer Expertise hat in diesen Gesprächen zu zahlreichen Ergebnissen geführt. Der wohl wichtigste Aspekt dabei war, dass durch die begleitete Änderung der Aarhus-Verordnung nun auch Bürger*innen interne Überprüfungsverfahren von EU-Entscheidungen anstoßen können. Umweltverbände und Bürger*innen können durch die Verordnungsänderung nun auch vielfältigere Umweltentscheidungen überprüfen, wie z. B. europäische Fischfangquoten.

Um die Prozesse auf der EU-Ebene für die Zivilgesellschaft verständlicher zu machen, haben wir an verschiedenen Formaten zusammengearbeitet. Unter anderem entstand eine Erklärvideoserie, die Beteiligung auf EU-Ebene verständlich machen soll. Die Serie ist auf YouTube frei verfügbar. Nebenher wurden digitale Broschüren und eine Webseite erarbeitet, um die komplexen Zusammenhänge in Brüssel verständlich zu machen.

Bedeutung des Projekts

Das UfU ist schon seit Langem auf dem Gebiet der Partizipation spezialisiert. Beteiligungsmöglichkeiten, insbesondere digitale, erachten wir als unabdingbare Instrumente um Demokratiemüdigkeit, Akzeptanzproblemen und Legitimationsverlust vorzubeugen. Je komplizierter und technokratischer politische Entscheidungsprozesse ablaufen, desto eher verliert man die Zivilgesellschaft. Besonders die Europäische Union wird oft als riesiger, unverständlicher bürokratischer Apparat empfunden. Deshalb ist es wichtig, den Bürger*innen den Zugang zu Informationen und auch Gerichten zu ermöglichen und sie in die EU-Politiken einzubeziehen. Nur so kann die EU bürgernahe Gesetzgebung hervorbringen.