03. Februar 2020

Wie kann Umweltgerechtigkeit als Leitlinie für eine ökologische und soziale Quartiersentwicklung in den Berliner Bezirken und auf Senatsebene verankert und realisiert werden? D.h. wie kann eine möglichst gleich gute Lebens- und Umweltqualität für alle Bewohner*innen der Hauptstadt hergestellt werden? Diese Frage stand im Zentrum des Kongresses „Umweltgerechtigkeit in Berlin – Vom Konzept zur Praxis“, den das UfU gemeinsam mit dem BUND Berlin und dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg am 30./31. Januar durchgeführt hat.

Denn momentan ist es so, dass gesundheitsrelevante Umweltbelastungen wie Lärm oder Luftverschmutzung in sozial benachteiligten Quartieren der Hauptstadt meist viel höher sind als in anderen Stadtteilen. Menschen dort leiden also unter Mehrfachbelastungen, die es abzubauen gilt. Doch dies ist eine komplexe Aufgabe, bei der unterschiedlichste Akteure an einem Strang ziehen müssen – über diverse Themenfelder hinweg. Dass der Bedarf für Veränderung groß ist, zeigte das hohe Interesse an der Veranstaltung. Alle Plätze im historischen Goldenen Saal des Rathauses Schöneberg waren gefüllt, einige Personen fanden nur noch Stehplätze.

Zu Beginn führte Frau Prof. Dr. Hornberg, Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU), die Teilnehmenden in das Thema Umweltgerechtigkeit ein. Als Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin spannte sie dabei einen interessanten Bogen zum Thema Gesundheit. Mit der Aussage „Gesund ist ein Mensch, der jeden Tag als neue Chance wahrnimmt!“ machte sie außerdem deutlich, dass Gesundheit mehr ist als die Abwesenheit von Krankheit. Diese durch gute Umweltbedingungen zu erhalten und zu fördern, sollte oberstes Ziel sein.

Herr Dr. Klimeczek lenkte anschließend den Fokus auf Berlin und stellte die für Deutschland einmalige Umweltgerechtigkeitskonzeption der Hauptstadt vor. Grundlage ist eine kleinräumige Umweltbelastungsanalyse, die Aufschluss über die ungleiche Verteilung der Umweltbelastungen in den Bereichen Lärm, Luftbelastung, Bioklimatische Belastung, Grünflächenversorgung, Stadtstruktur und Realnutzung gibt. Diese Daten wurden verschnitten mit sozialen und weiteren gesundheitsstatistischen Aussagen. Die so entstandenen Umweltgerechtigkeitskarten machen die Mehrfachbelastungen bestimmter Quartiere und somit den Handlungsbedarf sehr deutlich. Gleichzeitig ist der erhobene Ist-Zustand jedoch mittlerweile in vielen Bereichen nicht mehr aktuell. Eine wichtige Herausforderung wird in nächster Zeit u.a. darin bestehen, manche Indikatoren zu überarbeiten und ein kontinuierliches Monitoring einzuführen, sodass die Konzeption mit den Kartendarstellungen auch weiterhin eine verlässliche Grundlage für den Diskurs über Umweltgerechtigkeit in Berlin ist.

In vier parallelen Fachforen hatten die Teilnehmenden im Anschluss die Möglichkeit, spezielle Fragen rund um das Thema Umweltgerechtigkeit zu diskutieren. Während eine Gruppe sich mit gesundheitlichen und sozialen Aspekten beschäftigte, ging ein anderes Forum der Frage nach, wie Umweltgerechtigkeit auf Bezirksebene vorangetrieben werden kann. In einem dritten Forum standen die Indikatoren und das Monitoring im Vordergrund, die vierte Gruppe tauschte Erfahrungen aus anderen Städten aus. Angeregt wurde die Diskussion in allen Fachforen durch Impulsbeiträge von diversen Expert*innen.

Zum Abschluss des ersten Kongresstages erwartete die Teilnehmenden eine zur Veranstaltung fertig gestellte neue Ausstellung, die auf 19 großen Tafeln das Thema Umweltgerechtigkeit aufarbeitet. In Zukunft soll diese Ausstellung auf Wanderung gehen und so noch mehr Menschen erreichen.

Der zweite Veranstaltungstag begann mit zwei Vorträgen, die zeigten, welche Förderprogramme (beispielsweise die Städtebauförderung oder das Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung – BENE) Umweltgerechtigkeit unterstützen und gezielt vorantreiben können. Die Beiträge kamen von Sören Bott von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und André Butz von der Beratungs- und Service Gesellschaft Umwelt.

Einen regen Austausch gab es anschließend auf dem „Markt der umweltgerechten Möglichkeiten“. Hier präsentierten sich diverse Akteur*innen aus Forschung und Praxis, die bereits das Thema Umweltgerechtigkeit bearbeiten. Bei Kaffee und Tee wurden fleißig Ideen und Kontakte ausgetauscht, um Berlin und andere Städte in Zukunft umweltgerechter zu machen.

Den Abschluss des Kongresses bildete eine Interviewrunde mit Frau Heiß, Bezirksstadträtin von Tempelhof-Schönberg, Frau Schulz-Hüskes von der Senatsverwaltung Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND Berlin. Bei diesem Rückblick auf den Kongress und gleichzeitigem Ausblick wurde deutlich, wo die wichtigsten Handlungsbedarfe für Berlin in der Zukunft liegen, welche Herausforderungen bestehen und welche realen Veränderungen in naher Zukunft zu erwarten sind.

 

 

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Fotos: Larissa Donges