UfU Informationen | Ausgabe 11 – Januar 2024

Von Altlasten, Akazien und Klimawandelanpassungen!

Was macht das UfU eigentlich in Vietnam?

Wer das UfU und seine Aktivitäten aufmerksam verfolgt, der weiß: Das UfU hat zahlreiche Projekte in Vietnam. Bereits seit dem Jahr 1998 und dann ab 2004 in stetig wachsender Zahl ist das UfU mit Projek-ten in Vietnam engagiert. Entstanden ist die Zusammenarbeit durch unseren inzwischen verstorbenen Kollegen Dr. Pham Ngoc Han. Mit 14 Jahren wurde Dr. Han als eines von 350 Kindern – von Ho Chi Minh und Wilhelm Pieck, dem ersten und einzigen DDR Präsidenten, flankiert – in die DDR gesandt. Die Kin-der, welche unter dem Begriff „Moritzburger“ bekannt wurden, sollten eine Ausbildung in der mit der sozialistischen Republik Vietnams befreundeten DDR machen und später ihre Erfahrungen in Vietnam einsetzen. Dr. Han begann eine Ausbildung in der DDR, studierte Verfahrenstechnik, promovierte und war im Habilitationsverfahren (keramische Körper) an der TU Chemnitz seit 1988. Er kam im Jahr 1996 als Praktikant zum UfU. Ab 1999 baute er zusammen mit Dr. Michael Zschiesche schrittweise die Bezie-hungen zwischen Deutschland und Vietnam im Umweltbereich auf. Seit etwa 2005 ist das UfU in Viet-nam eine bekannte Organisation.

Aktuell betreiben wir in Vietnam 3 Projekte. Wir arbeiten mit Student*innen der Universität Hue zu blauer und grüner Infrastruktur um Städte resilienter gegenüber dem Klimawandel zu machen. Wir re-naturieren mit Bergbauunternehmen stillgelegte Abbaustätten und wir erarbeiten in einer Modellregi-on in Vietnam mit der vietnamesischen Provinzregierung stufenweise die Registrierung von altlasten-verdächtigen Flächen in einem Kataster und führen weitere Maßnahmen wie Gefährdungsabschätzung und die Erarbeitung möglicher Sanierungsmaßnahmen durch. Über einige dieser Aktivitäten in Vietnam berichten wir in den folgenden Artikeln.


Von: Jonas Rüffer, Dr. Arne Reck, Dr. Michael Kerth

Teil 1: Projekt CapaViet

Bodenbelastungen und Handwerkerdörfer

AnaViet, DigiViet & CapaViet 1-3: So heißen die, zugegeben etwas kryptisch benannten, Projekte des UfU, die wir in Vietnam im Zusammenhang mit dem Thema Bodenbelastungen im Laufe der Zeit durchgeführt haben und auch noch durchführen. Bereits im Jahr 2005 vermittelte das UfU erstmals den vietnamesischen Umweltbehörden die wissenschaftlichen Grundlagen zur Erstellung eines Bodenbelastungskatasters.

In der Projektreihe CapaViet untersuchen wir gemeinsam mit vietnamesischen Behörden den Boden in einer bestimmten Modellregion auf Schadstoffe. Wir greifen dabei auch auf deutsche Bewältigungsstrategien im Umgang mit Altlasten zurück, die hierzulande als Konsequenz aus einigen Fehlern im Umgang mit stark belasteten Böden zum Konzept der Gefahrenabwehr im Bodenschutzrecht geführt haben. Im gemeinsamen Austausch mit dortigen Behörden sollen die notwendigen Kapazitäten für eine selbstständige Übertragung des Modellprojekts und seiner Ergebnisse auf ganz Vietnam aufgebaut werden.

Ausgangslage: Die Handwerkerdörfer in Vietnam

Wer an Altlasten in Vietnam denkt, hat wahrscheinlich als erstes Bilder vom großflächigen Einsatz des Herbizids „Agent Orange“ vor Augen. Tatsächlich sind Rückstände des Herbizids (Dioxine) noch immer in der Umwelt nachweisbar und bereiten Vietnam aufgrund der verursachten Missbildungen sowie Krebs- und anderen Erkrankungen bis heute Probleme. Neben der Bewältigung dieser Altlasten sieht sich die vietnamesische Gesellschaft jedoch zunehmend mit Umweltproblemen konfrontiert, die aus dem enormen Wirtschaftswachstums der letzten 35 Jahren resultieren. Die vietnamesische Industrialisierung im Zeitraffer führte zu einem Aufeinanderprallen von moderner Industriegesellschaft und traditionellen Produktions- und Lebensweisen. Die Umweltauswirkungen dieses Zusammenpralls zeigen sich besonders deutlich in den so genannten Handwerkerdörfern (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Drohnenaufnahme vom Handwerkerdorf Châu Khê. Am Flussufer sind Müllablagerungen zu sehen.

Handwerkerdörfer sind eine vietnamesische gewerbliche Tradition, die weit in die Geschichte zurückreicht. Handwerkerdörfer haben sich auf die Produktion oder Herstellung einer bestimmten Ware oder die Verarbeitung bestimmter Materialien spezialisiert. Seidenproduktion, die Herstellung von holzlackierten Bambusgegenständen, Töpferei bis hin zu Lack- und Metallverarbeitung. In einem Handwerkerdorf verarbeiten die Bewohner*innen über Generationen hinweg ein bestimmtes Material. Über 5.400 solcher Dörfer gibt es in Vietnam. Sie bilden nach wie vor einen wichtigen Teil der vietnamesischen Volkswirtschaft.

Im Zuge der Industrialisierung treffen in diesen Handwerkerdörfern jedoch zunehmend moderne Schadstoffe auf vor- oder frühindustrielle Produktionsformen. Typisch für diese Produktionsformen ist eine geringere Produktivität im Vergleich zur großindustriellen Serienfertigung. Aufgrund mangelnder Ausbildung im Umgang mit Schadstoffen, veralteten Produktionstechnologien und vor allem der prekären wirtschaftlichen Situation können diese traditionellen Betriebe in den Handwerkerdörfern keine Rücksicht auf Arbeits- und Umweltschutz nehmen. So sind die Menschen nicht nur zahlreichen Schadstoffen schutzlos ausgesetzt, sondern es fehlen in den Handwerkerdörfern auch gesicherte Deponien und der Anschluss an eine Kläranlage. Als Folge werden Abfälle ohne stoffliche Trennung wild deponiert und Abwässer meist ungeklärt in die Vorfluter eingeleitet.

Dadurch gelangen zahlreiche Schadstoffe in die Böden, den Wasserkreislauf und damit auch in die Nahrungskette. Hinzu kommt die traditionelle Lebensweise in den vietnamesischen Handwerkerdörfern, d. h. das direkte Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten. Es gibt also keine räumliche Trennung zwischen umweltbelastender Produktion und Wohnbereich.

In Vietnam wird seit einiger Zeit versucht, die Lebens- und Produktionsstandards in diesen Dörfern zu heben und gleichzeitig die Arbeitsplätze in den Dörfern zu sichern. Denn diese Arbeitsplätze, die von Generationen zu Generation weitergegeben werden, sind oft die einzige Einkommensmöglichkeit für die Menschen, die in diesen Dörfern leben.

Projektziele

Ziel der Projektreihe ist es, das in Deutschland in den vergangenen 40 Jahren erworbene Wissen und die Bewältigungsstrategien im Umgang mit Altlasten nach Vietnam zu transferieren und dabei auf vietnamesische Verhältnisse anzupassen.

Wir haben uns deshalb dazu entschieden, die Altlastenbearbeitung stufenweise in einer Modellregion in Vietnam durchzuführen. In diesen Projekten arbeiten wir vor allem mit den vietnamesischen Umweltverwaltungen auf kommunaler und Provinzebene (Departments of Natural Resources and Environment – DONRE) zusammen. So soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass vietnamesische Behörden die Maßnahmen, die wir in dieser Modellregion gemeinsam durchführen, auf andere Regionen in Vietnam übertragen können.

Die verschiedenen Projektstufen sind:

  • Phase 1: Auswählen einer Modellregion in Vietnam und Erfassen der altlastverdächtigen Flächen in einem Kataster.
  • Phase 2: Gefährdungsabschätzung für eine ausgewählte Verdachtsfläche in der Modellregion: Wie stark ist der Boden belastet und welche Gefahren gehen davon für Mensch und Umwelt aus?
  • Phase 3: Beispielhaftes Erstellen eines Sanierungsplans für die Verdachtsfläche.

Während die Schritte 1. und 2. Bestandteil der Gefährdungsabschätzung sind, handelt es sich bei Schritt 3 um die konkrete Gefahrenabwehr in Abhängigkeit von der geplanten Grundstücksnutzung und den damit verbundenen Wirkungspfaden. Die gesamte Vorgehensweise stellt den exemplarischen Ablauf für jede Verdachtsfläche eines Bodenbelastungskatasters dar.

Bei der Erfassung und Bearbeitung von Flächen mit Altlasten in Vietnam sollen dabei möglichst nicht die gleichen Fehler gemacht werden, wie wir sie in den letzten 35-40 Jahren in Deutschland gemacht haben. So war auch in Deutschland das Hauptproblem die fehlende systematische, gründliche und wissensbasierte Bearbeitung von Altlasten. Im Idealfall trägt die Projektreihe letztlich dazu bei, dass die Probleme mit Bodenbelastungen in Vietnam mit unserer Unterstützung besser und schneller bewältigt werden können.

Infobox Altlasten in Deutschland:

Altlasten sind gemäß §2(5) Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) definiert als:

  1. stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und
  2. Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf (Altstandorte), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.“

Diese Arten von Altlasten werden in Deutschland in einem sogenannten Kataster festgehalten. Ein Kataster ist ein Register, in welchem systematisch potentielle oder belegte Bodenbelastungen festgehalten werden. Wurden auf einer Fläche in der Vergangenheit Abfälle gelagert, abgelagert oder behandelt oder wurde auf der Fläche mit umweltgefährdenden Stoffen hantiert, werden die Art der Nutzung, Menge der Abfälle, Größe der Anlage, mit welchen Stoffen gearbeitet wurde und noch weitere Details im Kataster festgehalten. Denn für jede Branche gibt es typische Schadstoffgruppen, die während der Arbeitsprozesse in die Umwelt freigesetzt werden. Zudem waren bestimmte Branchen in der Vergangenheit häufiger von Unfällen betroffen. Anhand der historischen Erkundung erfolgt für jeden Eintrag im Kataster eine Risikobewertung um festzulegen, ob z.B. unmittelbares Handeln erforderlich ist, weitere orientierende Untersuchungen notwendig sind oder wie mit der Fläche umzugehen ist, sollte diese mal für andere Zwecke genutzt werden.

Im Idealfall, wäre ein Kataster historisch zu 100 Prozent akkurat. Das entspricht natürlich nicht der Realität, da nicht für alle Flächen die vergangene Nutzung lückenlos dokumentiert ist. Aber durch die Auswertung verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen wie historischer Kartenwerke, Luftbilder und Gewerberegister, aber auch durch Zeitzeugenbefragungen wird versucht, mögliche Lücken im Kataster zu schließen.

Oberstes Ziel des aktuellen deutschen Bodenschutzrechts ist die Gefahrenabwehr. Die entsprechenden Grundlagen für Maßnahmen zur Ermittlung und Sanierung von Altlasten sind im Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) und der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) gesetzlich geregelt. Hintergrund war, dass seit den 1980er Jahren vermehrt Altlastenfälle auftraten, bei denen insbesondere durch Wohnbebauung auf stark belasteten, vorgenutzten Grundstücken aufgrund der Unkenntnis über die vorhandenen Bodenbelastungen massive Umweltprobleme entstanden waren. Dies sollte durch eine systematische Erfassung und Gefährdungsabschätzung, und soweit erforderlich, Sanierung, verhindert werden.

Ein typisches Beispiel für diese in Deutschland problematischen Fälle sind Flächen, die am Stadtrand liegen. Schwerindustrie und vor allem Mülldeponien werden typischerweise außerhalb der Stadt angelegt. Wächst eine Stadt aber im Laufe der Jahrzehnte, gehören ehemalige Stadtrandbezirke irgendwann zum inneren Stadtkern. Werden hier auf ehemaligen Industriestandorten neue Siedlungen gebaut, Häuser mit Gärten oder Parks angelegt, könnten die Schadstoffe beispielsweise ins Grundwasser gelangen und die Gesundheit der Bevölkerung beeinträchtigen.

Dabei ist zu beachten, dass Maßnahmen der Gefahrenabwehr allein den ursprünglichen Bodenzustand nicht wiederherstellen und daher immer mit Abstrichen an einem nachhaltigen Bodenschutz verbunden sind. Nachhaltiger Bodenschutz kann nur durch Vorsorge, wie z.B. Vermeidungsmaßnahmen, erreicht werden.

Aufgrund der vergleichsweise jungen Industriegeschichte Vietnams liegt der Schwerpunkt der Projektreihe auf Umweltverschmutzungen, die auf noch produzierende Betriebe zurückzuführen sind. Bei den untersuchten Verdachtsflächen handelt es sich somit nicht um Altlasten im Sinne des Bundes-Bodenschutzgesetzes (siehe Infobox), sondern um Bodenbelastungen, die von noch aktiven Betrieben ausgehen. Um Irritationen zu vermeiden, wird im Folgenden auf den Begriff Altlasten verzichtet und immer von Bodenbelastungen gesprochen.

Abbildung 2: Straße im Handwerkerdorf Châu Khê.
Abbildung 3: Blick in einen Handwerksbetrieb im Handwerkerdorf Châu Khê.

Der Umgang mit Bodenbelastungen Schritt für Schritt

Phase 1: Auswahl einer Modellregion in Vietnam und Erfassung der Flächen mit Verdacht auf Bodenbelastungen in einem Kataster

Im Rahmen der ersten Projektphase zum systematischen Umgang mit Bodenbelastungen wurde die Provinz Bắc Ninh, im Norden Vietnams ausgewählt. Ausschlaggebend für die Auswahl dieser Provinz waren die zahlreichen Industrie-Zonen und das signalisierte Interesse seitens des DONRE Bắc Ninh an solch einem Projekt. Im Rahmen von CapaViet 1 wurde daher in den Jahren 2017 bis 2019 für diese Provinz exemplarisch ein Kataster mit allen Flächen erstellt, bei denen aufgrund ihrer Nutzung von einer vorhandenen Bodenbelastung auszugehen ist. Dies wurde anhand aktueller Daten zur industriellen Aktivität und anhand historischen Daten in Zusammenarbeit mit dem DONRE Bắc Ninh ermittelt.

Phase 2: Gefährdungsabschätzung auf einer ausgewählten Fläche in der Modellregion: Wie stark ist der Boden belastet und welche Gefahren gehen davon aus?

Da die Provinz Bắc Ninh relativ groß ist, haben wir uns in der zweiten Projektphase für die Untersuchung einer Verdachtsfläche in der Provinz entschieden und die Gefährdungsabschätzung dort exemplarisch durchgeführt.

Bei der ausgewählten Verdachtsfläche handelt es sich um das Handwerkerdorf Châu Khê (siehe Abbildung 1 &2). Châu Khê liegt ebenfalls in der Provinz Bắc Ninh, ist ein auf Metallverarbeitung spezialisiertes Handwerkerdorf und wurde daher in den historischen Erkundungen des Vorgängerprojekts als Gebiet mit einem besonders hohem Kontaminationsverdacht identifiziert. Aufgrund seiner Entwicklung wird das Handwerkerdorf inzwischen von vietnamesischer Seite administrativ als Industriecluster eingestuft.

Durch das Dorf strömt ein kleinerer Fluss. Das Bild der Mülldeponie (siehe Abbildung 3) stammt aus diesem Dorf. In der näheren Umgebung von Châu Khê gibt es keine offizielle Mülldeponie, auf der Schadstoffe nach Stoffgruppen getrennt und sicher abgelagert werden können. Deshalb sind die Betriebe dazu übergegangen, die Abfälle ihrer Arbeit direkt am Fluss abzulagern.

Diese “wilde” Deponierung von Produktionsrückständen und anderen Abfällen ist aus umwelttechnischer Sicht sehr gefährlich. Normalerweise werden Abfälle soweit möglich aufbereitet und verwertet oder nach Stoffen getrennt deponiert. Durch die ungeordnete Ablagerung in Châu Khê entsteht eine sehr heterogene Abfallmasse, die ein Recyceln nahezu unmöglich macht. Gleichzeitig können sich die in den Abfällen enthaltenen Schadstoffe ungehindert in die umliegenden Böden und Gewässer ausbreiten.

Die ungesicherte Deponie wächst. Die mit Hilfe einer Drohne aufgenommenen Bilder aus der Luft zeigen, dass die abgelagerten Abfälle inzwischen sogar in den Flusslauf hineinreichen und das Abflussgeschehen beeinflussen. Die Abfälle stehen somit in direktem Kontakt mit dem Wasserkreislauf. Darüber hinaus verengen die Abfälle den Gewässerquerschnitt und erhöhen damit einerseits die Überschwemmungsgefahr bei Hochwasser und können andererseits besonders leicht vom Wasser mitgerissen werden. Dieses Dorf, welches beispielhaft für zahlreiche Handwerkerdörfer ist, zeigt, mit welchen Problematiken wir als Wissenschaftler*innen beim systematischen Umgang mit Bodenbelastungen für solche Standorte konfrontiert sind.

Im Frühjahr 2023 erfolgte eine Untersuchung der am Flussufer abgekippten Abfälle mittels mobiler Röntgenfluoreszenz-Spektrometer (siehe Abbildung 5). Bei dieser Messkampagne konnten stark bleihaltige Schlacken sowie stark blei-, kupfer-, und zinkhaltige Abfälle aus haushaltsnahen Schrottsammlungen nachgewiesen werden.

Weiterhin gingen wir davon aus, dass aufgrund der Arbeitsweise in Châu Khê, der Boden im gesamten Handwerkerdorf stark belastet ist. Daher wurden zusätzlich zu den Abfalluntersuchungen auch Bodenproben an insgesamt 10 über das ganze Handwerkerdorf verteilten Probennahmepunkten entnommen. Dabei wurden an allen Punkten deutlich erhöhte Metallgehalte in den obersten aufliegenden bzw. mit dem Boden vermischten Abfallschichten nachgewiesen, wobei insbesondere die Zink- und vereinzelt auch die Arsen- und Cadmiumgehalte die in Vietnam gesetzlich zulässigen Grenzwerte überschritten. Die angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen und die Böden unterhalb der Müllschicht zeigen dagegen keine generelle Belastung mit Schwermetallen.

Abbildung 5: Messung von Abfällen mit einem mobilen Röntgenfluoreszenz- Spektrometer.
Abbildung 7: Dr. Kerth erläutert anhand von Luftbildern die Entwicklung der Ablagerungen in Châu Khê und die Konsequenzen für den Boden.
Abbildung 6: UfU besichtigt mit dem Donre die Fläche in Châu Khê. Hier werden die Ergebnisse der Bodenproben erläutert.

Phase 3: Beispielhaftes Erstellen eines Sanierungsplans für die Verdachtsfläche

Derzeit werden in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden und unseren Projektpartnern geeignete Möglichkeiten zur Sanierung des Handwerkerdorfs erarbeitet. Die bisherigen Gespräche haben ergeben, dass seitens der vietnamesischen Behörde eine Verlagerung der derzeit aktiven Betriebe in ein Industriegebiet angestrebt wird. Als Folgenutzung sind Wohnen und Flächen für Dienstleistungsbetriebe in Planung. Im oberen Abschnitt dieses Artikels und in der Infobox haben wir bereits beschrieben, wie wichtig die Erfassung der Bodenqualität und damit zusammenhängenden Schadstoffe ist, wenn Flächen in Zukunft anderweitig genutzt werden. Insbesondere wenn diese Flächen in Zukunft für Wohnen genutzt werden soll, sind die Daten zur Bodenbelastung relevant. Vor dem Hintergrund der geplanten Nutzungsänderung werden aktuell Lösungsansätze für die “wilde” Abfallablagerung sowie Handlungsoptionen zum Umgang mit den vorhandenen Boden- und Grundwasserbelastungen ausgearbeitet. Beides zusammen bildet dann die Grundlage für einen möglichen Sanierungsplan für das Handwerkerdorf Châu Khê.

Der Aufbau von Kapazitäten

Das UfU legt großen Wert darauf, neben der praktischen wissenschaftlichen Tätigkeit auch die notwendigen Kapazitäten vor Ort aufzubauen, die es Vietnam ermöglichen, diese Aufgaben in Zukunft selbst wahrnehmen zu können. Deshalb ist neben der Erarbeitung eines konkreten Praxisbeispiels der gezielte Aufbau von Kapazitäten in vietnamesischen (Umwelt-)Behörden die zweite wesentliche Säule der Projektreihe (AnaViet, DigiViet & CapaViet 1-3). Hierzu haben wir folgende Ansätze verfolgt und umgesetzt:

  • Anschaffung mobiler Umweltanalytik (Röntgenfluoreszenz-Spektrometer) für vietnamesische Behörden und Schulung in der Anwendung zur vor-Ort-Analytik anorganischer Schadstoffbelastungen in Böden (AnaViet).
  • Machbarkeitsstudie zur Nutzung von Online-Plattformen im Bereich Altlasten für vietnamesische Behörden (DigiViet).
  • Ausarbeitung von Handreichungen zur systematischen Erfassung kontaminierter Standorte in Vietnam (CapaViet).
  • Entwicklung und Durchführung von Online-Kursen zum Altlastenmanagement für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vietnamesischer Behörden (CapaViet2, CapaViet3).

 

Weitere Informationen zu dieser Projektreihe:

  • Projektinfos: https://www.ufu.de/projekt/capa-viet-3/
  • Neuste Veröffentlichung: CapaViet: Bodenschutz in Vietnam mit Wissenstransfer aus Deutschland (2023):https://www.ufu.de/downloads/capaviet-wissenstransfer/
  • Zahlreiche weitere Veröffentlichungen zu dieser Projektreihe sind zu finden unter:
    https://www.ufu.de/projekt/capa-viet-3/