UfU Informationen | Ausgabe 11 – Januar 2024

Von Altlasten, Akazien und Klimawandelanpassungen!

Was macht das UfU eigentlich in Vietnam?

Von: Jonas Rüffer, Dr. Arne Reck

Teil 2: Projekt CPEP

Energiepflanzen auf Bergbaustandorten

Neben der Erstellung von Katastern engagiert sich das UfU auch im Bereich des Umweltfolgenmanagements durch Bergbau. Im Projekt CPEP unterstützen wir Bergbauunternehmen bei der Renaturierung alter Bergbauflächen und führen Studien zur Bodenqualität und möglicher Folgenutzung durch.

Renaturierung nach Bergbau

Wer einmal im Ruhrgebiet oder der Lausitz gewesen ist, erinnert sich vielleicht an die riesigen Mondlandschaften, die Bergbau in der Erde hinterlässt. Der Boden wird umgewälzt, abgetragen und anderswo neu aufgeschüttet. Riesige Löcher entstehen durch die Entnahme von Kohle oder anderen Stoffen. Um den Schaden, der durch Bergbau entsteht zu begrenzen, verpflichtet das Bundesberggesetz die Bergbaugesellschaften in Deutschland dazu, die bearbeitete Fläche nach Beendigung des Bergbaus wiederherzustellen, sprich, zu renaturieren. Typisch sind in Deutschland die Baggerseen. Die Fläche wird saniert, die Böschung gesichert, das Loch eventuell mit Wasser befüllt, Pflanzen angepflanzt und es entsteht ein neuer Naturraum. So die Theorie.

Diese Art der Renaturierung ist natürlich nicht überall möglich. In „Ausgabe Nummer 6 – Krieg & Umwelt“ haben wir bereits über die sogenannten Ewigkeitskosten im Ruhrgebiet berichtet. Teilweise müssen alte Schächte gesichert werden und über Ewigkeiten der Grundwasserspiegel durch Pumpen gehalten werden, da sonst ganze Städte wie Essen unter Wasser stünden. Anderswo muss eine Kontamination des Grundwassers mit Giftstoffen und Schwermetallen verhindert werden, indem Grubenwasser kontinuierlich abgepumpt und geklärt wird.

Grundsätzlich ist es aber das Ziel dieses Gesetzes, dass die Fläche nach Beendigung des Tagebaus der Natur zurückgegeben wird. In vielen Fällen gelingt es tatsächlich, aus alten Tagebaugebieten naturnahe Flächen zu machen, die auch für die Bevölkerung als Naherholungsgebiete dienen. Die Leipziger Seenlandschaft ist dafür ein gutes Beispiel.

Akazien und Maniok in Vietnam

Aus umwelt- und klimaschutztechnischer Sicht ist Bergbau grundsätzlich zu vermeiden. Wo dies allerdings (noch) nicht möglich ist, kann die Pflicht zur Renaturierung die Schäden des Bergbaus eingrenzen. Vietnam ist eines der Länder, die noch nicht auf die Erträge des Bergbaus verzichten können. Es bezieht nach wie vor ein Drittel seiner Energie aus der Verbrennung von Steinkohle, die im Tagebauverfahren gefördert wird. Daneben ist auch der Abbau anderer Rohstoffe im Tagebau wie Bauxit, Wolfram oder Metallerze in Vietnam von wirtschaftlicher Bedeutung.

Allerdings werden in Vietnam zunehmend strengere Umweltauflagen an die Rohstoffgewinnung gestellt und auch die Renaturierung ist ein wichtiges Thema. Deutschland gilt in dieser Hinsicht für einige Bergbauunternehmen als Vorbild und es haben auch schon Besuche stattgefunden, um gegenseitig von Renaturierungsmaßnahmen zu lernen.

Um die strenger werdenden Umweltvorschriften einzuhalten und gleichzeitig wissenschaftliche Forschung in Bezug auf Flächennutzung zu ermöglichen, arbeitet das UfU in Vietnam mit dem staatlichen Bergbaukonzern Vinacomin und dem privatwirtschaftlichen Bergbauunternehmen Massan High-Tech Materials zusammen. Massan betreibt mit der Nui Phao Mine die größte Wolfram-Mine außerhalb Chinas. Hintergrund der Forschung ist ein Problem, das wir auch in Deutschland kennen: Flächenkonflikt.

Durch Verstädterung, Versiegelung, erhöhten Energiebedarf, Ausbau von Infrastruktur und das in Vietnam hinzukommende Bevölkerungswachstum entsteht ein zunehmender Bedarf und damit auch Konflikt um Fläche, insbesondere für die Landwirtschaft – Vietnam ist einer der größten Reisexporteure der Welt. Da sich Bergbau typischerweise auf besonders großen Flächen erstreckt, gibt es in Vietnam ein Interesse, ehemalige Bergbauflächen in Zukunft nicht nur zu renaturieren, sondern anders nutzen zu können, beispielsweise für Landwirtschaft. Anders gesagt: Vietnam möchte keine riesigen Baggerseen erschaffen, sondern landwirtschaftliche Ackerfläche, die sich für die Nahrungsmittelproduktion eignet.

Abbildung 1: Eine Kohlemine des staatlichen Bergbaukonzerns Vinacomin. Hier führen wir Bepflanzungen durch.
Abbildung 2: Ein Teil der noch aktiven Mine von Vinacom, auf welcher wir unser Projekt durchführen. Zur Perspektive: Die kleinen gelben Punkte im Bild sind große Baumaschinen bei der Arbeit.

Diesem Ziel steht jedoch die Bodenqualität auf den ehemaligen Tagebauflächen entgegen. Wie im vorherigen Artikel beschrieben, sind Flächen auf denen industrielle Prozesse stattgefunden haben oft als kontaminiert zu erachten, im Falle von Bergbau durch Schwermetalle. Grundsätzlich gibt es für kontaminierte Böden verschiedene Ansätze des Umgangs, je nach Schadstoffbelastung. Oberstes Ziel ist aber immer, die Sicherung des Bodens, um Ausbreitung der Schadstoffe zu verhindern bspw. durch Erosion oder Auswaschung durch Niederschlag. Im Idealfall wird die Bodenkontamination sogar vermindert, indem der Boden mit Dekontaminationsmaßnahmen behandelt wird.

Die ehemaligen Bergbauflächen in Vietnam eignen sich also vorerst nicht für die Nahrungsmittelproduktion. Da Vietnam aber nach wie vor stark von Brennstoffen abhängig ist, entstand die Idee, die ehemaligen Bergbauflächen für die Anpflanzung von Energiepflanzen zu nutzen, also Pflanzen, aus denen Bioethanol oder Pellets hergestellt werden kann. Bereits 2014 hat das UfU in einer Machbarkeitsstudie herausgefunden, dass sich Bergbaufolgestandorte in Vietnam besonders gut für den Anbau von Energiepflanzen eignen, da sie eine großes Flächenpotenzial besitzen und infrastrukturell bereits erschlossen sind.

Unsere Projekte untersuchen aus diesem Grund zwei Kernfragen:

A: Eigenen sich die ehemaligen Bergbauflächen zur landwirtschaftlichen Nutzung mit Energiepflanzen?

B: Welche Auswirkungen hat die dauerhafte Bewirtschaftung des Bodens auf die Bodenqualität und die eingetragenen Giftstoffe?

An drei Standorten pflanzen wir in Zusammenarbeit mit den Bergbauunternehmen vor Ort seit geraumer Zeit verschiedene Energiepflanzen an und untersuchen sowohl die Bodenqualität als auch den Anteil an Giftstoffen in den Pflanzen. Als Testpflanzen haben wir verschiedene Arten von Akazien und Maniok gepflanzt. Maniok ist eine Pflanze die stärkehaltigen Wurzelknollen ausbildet und sich besonders gut zur Herstellung von Bioethanol eignet. Aber auch die Biomasse von Akazien kann energetisch genutzt werden.

Abbildung 3: Diesen Akazienwald haben wir mit dem Bergbaukonzerns Vinacomin gepflanzt.

Warum Bioethanol?

Normalerweise wird die Bioethanolproduktion von Umweltverbänden kritisch betrachtet. Aus guten Gründen. Zum einen wird die Pfadabhängigkeit zu Technologien wie dem Verbrennungsmotor oder Gasheizungen weiter befördert, wenn wir in Zukunft organische Stoffe anstatt fossile verbrennen. Zum anderen aber, steht der Anbau von Energiepflanzen in Flächenkonkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion. Das bedeutet, dass landwirtschaftliche Flächen, die eigentlich zur Nahrungsmittelproduktion genutzt werden könnten, durch den Anbau von Energiepflanzen entfallen oder aber, im schlimmeren Szenario, neue landwirtschaftliche Flächen durch Rodung oder andere Maßnahmen erschlossen werden, was wiederum einen Verlust an ungenutzter und wilder Naturfläche bedeutet. Hinzu kommen Probleme wie Pestizid– und Düngemitteleinsatz und die Zerstörung von Boden.

Dieser klassische Abwägungskonflikt zwischen Nahrungsmittel- und Energiepflanzenanbau wird auf ehemaligen Bergbauflächen aufgrund der Kontamination und somit dem Ausschluss für Nahrungsmittelproduktion entschärft bzw. entsteht erst gar nicht. Mehr noch: Die Hoffnung ist, dass der Anbau von Energiepflanzen auf diesen Flächen dem Boden unter Umständen sogar die Giftstoffe entziehen könnte und in Zukunft für den Anbau von Nahrungsmitteln wieder in Frage kommt, der Boden also durch die Maßnahme aufgebessert wird.

Wie oben bereits beschrieben, ist Vietnam nach wie vor stark von fossilen Brennstoffen abhängig. Ein Zuwachs an Bioethanol in der Gesamtmenge verfügbarer Brennstoffe würde die CO2-Bilanz von Vietnam senken. Hinzukommt, dass bei entsprechender Skalierung für Bergbauunternehmen ein ökonomischer Nutzen darin entsteht, die zuvor bearbeitete Fläche aufzubereiten. Damit entsteht ein Zuwachs an Biodiversität, Arbeitsplätze werden gesichert und Menschen in der Region profitieren auch nach Beendigung der Tagebauaktivitäten von der Region. Letzteres ist gerade in einem Land wie Vietnam von Bedeutung — Vietnam ist nach wie vor ein Schwellenland.

Anhand einer Ökobilanz untersuchen wir derzeit, welche Randbedingungen erfüllt sein müssen, damit die CO2-Reduktion gegenüber fossilen Brennstoffen möglichst groß ist.

Abbildung 4: Wir nehmen Bodenproben auf dem Gelände der Núi Pháo Wolframmine, um die Auswirkungen der Bepflanzung auf die Bodenqualität zu untersuchen.
Abbildung 5: Wir nehmen Gehölzproben auf dem Gelände Vinacomin-Mine.

Wir begleiten den Pilotanbau von Energiepflanzen durch räumlich und zeitlich aufgelösten Bodenbeprobungen zur Untersuchung der stofflichen Belastung sowie ausgewählter physikalischer und chemischer Bodeneigenschaften.

Wir sind derzeit dabei die angebauten Energiepflanzen auf ihre Schwermetallgehalte zu untersuchen, um festzustellen, inwieweit die Pflanzen die Schadstoffe aufnehmen, d.h. wie hoch der Transfer vom Boden in die Pflanze ist. Demnach könnte man einen Zeithorizont abschätzen, bis die Böden durch den Anbau von Energiepflanzen von den Schadstoffen gereinigt sind und so irgendwann wieder für landwirtschaftliche Nutzung infrage kommen. Allerdings ist diese Art der Bodensanierung aus naturschutzfachlicher Sicht noch nicht eindeutig zu bewerten.

Einerseits besteht die Chance, die Schwermetallgehalte im Boden so weit zu reduzieren, dass die Böden in absehbarer Zeit wieder für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung stehen. Andererseits sind Schwermetalle persistente, also widerstandsfähige, Schadstoffe die weder mikrobiell noch chemisch abgebaut werden können. Daher sollte bei Schwermetallen immer versucht werden, eine weitere Ausbreitung in der Umwelt weiter zu verhindern und das Belastungsvolumen nach Möglichkeit zu reduzieren, d.h. zu konzentrieren. Deshalb untersuchen wir im Moment, welche unserer Testpflanzen die Schadstoffe aufnehmen und wo sich die Schadstoffe in der Pflanze konzentrieren.

Ein Beispiel: Würden wir feststellen, dass sich Schwermetalle besonders in den Blättern unserer Pflanzen konzentrieren, wäre dies eher nachteilig, da sich die Schwermetalle durch den Abwurf von welken Blättern eher in der Umwelt verteilen würden.

Darüber hinaus ist derzeit noch unklar, wie sich die Schwermetallgehalte in der Pflanze auf die weiteren Wertschöpfungsschritte wie z.B. die Bioethanolgewinnung auswirken. Hier müssten besondere Verfahren angewendet werden, damit sich die Schadstoffe nicht durch Weiterverarbeitung verteilen.

Warum also dieser Aufwand und diese Art der Bodensanierung? Ein großer Faktor sind hierbei Kosten. Eine professionelle Sanierung, in diesem Sinne Befreiung des gesamten Bodens von den Schwermetallen ist aufgrund der Fläche und Bodenstruktur nicht möglich. Bergbaustandorte sind flächenmäßig riesig groß, die Erde durchwühlt, an einer Stelle abgetragen und an anderer Stelle wieder aufgeschüttet. Der belastete Boden bleibt belastet und kann in einem ökonomisch sinnvollen Szenario nicht vollständig saniert werden. Da Vietnam aber aufgrund der Flächenkonflikte und auch aufgrund des ökonomisches Drucks, derart große Flächen nicht brachliegen lassen kann/will, versuchen wir mit diesen Projekten eine Nachnutzung zu erreichen, die den Boden von den Schwermetallen befreit und gleichzeitig eine Nachnutzung ermöglicht, die eine positive Auswirkung auf die CO2-Bilanz in Vietnam hat.

Positiv ist bereits der große Zuwachs an Biodiversität an den bisherigen Pilotstandorten. Die Pflanzen wachsen gut und es entstehen dichte Akazienwälder. Auch die Maniokernte fiel verhältnismäßig positiv aus, wenn man die ungünstigen Bodenbedingungen mitbedenkt.

Weitere Forschungsergebnisse werden in Kürze erwartet.

Abbildung 6: Flächenbesichtigung bei der Núi Pháo Wolframmine — Diesen Akazienwald haben wir gemeinsam mit Massan High-Tech Materials gepflanzt.
Abbildung 7: Gemeinsame Flächenbesichtigung auf dem Gelände der Kohlemine von Vinacomin. Hier wurden von kurzem neue Pflanzen ange-pflanzt, die gerade heranwachsen.