UfU Informationen | Ausgabe 11 – Januar 2024

Von Altlasten, Akazien und Klimawandelanpassungen!

Was macht das UfU eigentlich in Vietnam?

Von: Fabian Stolpe

Teil 3: Projekt CPEP

GreenCityLabHuế – Stärkung der Klimaresilienz städtischer Regionen in Zentralvietnam

Städte – Zentren des Klimawandels

In unserem dritten Projekt, dass wir aktuell in Vietnam durchführen, setzen wir uns mit den Herausforderungen auseinander, die der Klimawandel vor allem für Städte mit sich bringt. Hitzeinseln durch Versiegelung und dichte Bebauung, Wasserknappheit, schlechte Luftqualität und zu wenig vorhandenes städtisches Grün sind nur einige Ursachen, die die Lebensqualität in großen Städten mit dem Fortschreiten des Klimawandels massiv verringern. Gleichzeitig leben nach Hochrechnungen jetzt schon mehr als 57 Prozent der Weltbevölkerung in Städten.

Auch wenn Südostasien mit städtischer Bevölkerung noch unter dem Durchschnitt liegt, gibt es auch hier bereits große Megastädte wie Bangkok, Thailand (10,9 Millionen Einwohner), Ho-Chi-Min-City, Vietnam (9,08 Millionen Einwohner) oder Manila, Philippinen (14,41 Millionen Einwohner). Tendenz steigend.

Dabei sind insbesondere Städte in Südostasien von den Auswirkungen des Klimawandels besonders stark betroffen. Konventionelle urbane Strukturen verschärfen oft die daraus resultierenden Schäden und gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Aus diesem Grund wird nach neuen Wegen gesucht, wie sich Städte in Zukunft mit innovativen Lösungen weiterentwickeln und den Herausforderungen des Klimawandels begegnen können. Das UfU betreibt vor diesem Hintergrund ein Forschungsprojekt in der vietnamesischen Stadt Huế.

Nature-Based-Solutions in Städten

Traditionelle Maßnahmen zum Schutz vor Umweltkatastrophen stützen sich stark auf die so genannte „graue Infrastruktur“, d.h. Ingenieurbauwerke wie z. B. immer höhere Dämme zum Schutz vor Überschwemmungen. Diese sind nicht nur teuer in Bau und Unterhalt, sondern tragen oft selbst zu negativen Umweltauswirkungen bei, etwa durch zunehmende Bodenversiegelung oder Zerstörung natürlicher Ökosysteme. Um den zukünftigen Veränderungen des Klimawandels in Großstädten zu begegnen, wird deshalb nach intelligenten Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen gesucht. Diese intelligenten Maßnahmen vereinen idealerweise die Aspekte des Katastrophenschutzes und die verschiedenen Bedürfnisse der Stadtbewohner, einschließlich ihrer Gesundheit und Lebensqualität, sowie den Schutz der biologischen Vielfalt. Nur durch diese ganzheitliche Betrachtung können die geplanten Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen ihre volle Wirksamkeit entfalten und auch einen Beitrag zur Trendwende in der Klimakrise leisten.

In diesem Zusammenhang hat das Konzept der naturbasierten Lösungen (nature-based solutions, NBS) in der Stadtplanung aber auch im ländlichen Raum in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Es verfolgt genau dieses Ziel: Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen sollen Ökosysteme und ihre komplexen Wechselwirkungen wiederherstellen und stärken oder, wo dies nicht in vollem Umfang möglich ist, ihre Wirkungen kleinräumig nachbilden. Dies wird auch Ökosystemdienstleistung genannt.

Die Idee der naturbasierten Lösungen im städtischen Kontext basiert im Kern darauf, die Natur selbst in die Stadtentwicklung zu integrieren und damit die Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren. Die Maßnahmen sind dementsprechend von der Natur inspirierte städtebauliche Interventionen, die die Ökosystemleistungen von Pflanzen, Böden und anderen natürlichen Elementen gezielt nutzen, um die Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit von Städten zu erhöhen. Je nach ökologischer und gesellschaftlicher Herausforderung, Eingriffsebene und räumlichem Maßstab, lassen sich unter dem Begriff naturbasierte Lösungen eine Vielzahl von Maßnahmen zusammenfassen: Ein Beispiel für naturbasierte Lösungen ist die Schwammstadt. Fassaden- oder Dachbegrünungen bieten gerade in innerstädtischen Gebieten die Möglichkeit, Grün in die Gebäude zu integrieren und gleich mehrfache Mitnahmeeffekte wie Erhöhung der Biodiversität, Verbesserung der Luftqualität und Dämmung der Fassade zu erzielen. Ein integrales, dezentrales Regenwassermanagement versucht, Regenwasser nicht durch ein Kanalisationssystem zentral zu sammeln und zu klären, sondern in der gesamten Stadt Versickerungsflächen zu schaffen und die natürlichen Aufbereitungsfunktionen von Böden und Pflanzen zu nutzen. Selbst in der Straßeninfrastruktur kommen beispielsweise Rasengleise bei Straßenbahnen anstatt betonierte Gleise zum Einsatz. Auch für ländliche Gebiete gibt es naturbasierte Lösungen. Dazu zählen Mangrovenwälder zum Küstenschutz, Wiederherstellung von Flussauen zum Hochwasserschutz oder Hecken zum Erosionsschutz.

Neben den ökologischen Funktionsanforderungen an die Maßnahmen wird im Konzept der naturbasierten Lösungen aber immer ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, das heißt es werden auch soziale und ökonomische Folgen der potentiellen Maßnahme in die Planung miteinbezogen. Am Beispiel von urbanen Grün- und Freiflächen wie Parks und deren positiver Wirkung auf Kühlung und Hochwasserschutz ergeben sich nicht nur ökologische Argumente für diese Maßnahme, sondern auch ökonomische und soziale durch den eben erwähnten Hochwasserschutz und den Beitrag zu Gesundheit und Lebensqualität. Ein innovativer Ansatz, um diesen multifunktionalen Nutzungsansprüchen im urbanen Raum gerecht zu werden, ist eine erweiterte Betrachtung aller städtischen Flächen, die als Netzwerk verschiedener Strukturen mit unterschiedlichen Funktionen die Resilienz der Städte erhöhen.

Das GreenCityLab in Huế – Blaue und Grüne Infrastruktur

Ein für Städte besonders wichtiges Feld der naturbasierten Lösungen ist die sogenannte blaue und grüne Infrastruktur. Blaue und grüne Infrastruktur sind, wie die Namen bereits herleiten lassen, Infrastrukturelemente die Grünflächenelemente, Bepflanzung und Wasserelemente verwenden, um bestimmte Ökosystemdienstleistungen zu erreichen. Im Fall von blauer und grüner Infrastruktur sind das Luftkühlung, Schutz vor Überschwemmung, Verbesserung der Luftqualität und Lebensqualität sowie Biodiversitätsschutz.

Das UfU-Projekt „GreenCityLabHuế – Stärkung der Klimaresilienz städtischer Regionen in Zentralvietnam durch naturbasierte Lösungen zur Wärmeanpassung und Verbesserung der Luftqualität“ fokussiert sich bei seiner Forschung auf ebendiese Elemente der naturbasierten Lösungen. Seit 2019 arbeitet das UfU zusammen mit der Humboldt Universität Berlin, dem Mientrung Institute for Scientific Research, dem Huế Institute for Development Studies (HuếIDS) und der Architektur-Fakultät der Universität Huế gemeinsam an diesem Projekt. Ziel ist die Schaffung eines multidisziplinären Forschungs- und Versuchsraums zur Entwicklung, Erprobung, Visualisierung, Diskussion und Umsetzung von Ideen und Konzepten zur Wiederherstellung und Erweiterung der grün-blauen Infrastruktur und damit zur Förderung und Umsetzung von naturbasierten Lösungen im Stadtgebiet von Huế.

Abbildung 1: Grüne und blaue Infrastruktur in der Stadt Huế.

Die Stadt Huế ist eines der ältesten städtischen Gebiete in Vietnam. Die Stadt umfasst eine Fläche von etwa 71 km² und ist mit 5.076 Personen/km² eine der am dichtesten besiedelten Städte Vietnams. Als ehemalige Hauptstadt Vietnams von 1802 bis 1945 unter der Nguyen-Dynastie gilt Huế-Stadt als das nationale Zentrum für Kultur, Religion und Bildung. Die Stadt hat die kulturellen Werte und die prächtigen Gebäude der Kaiserstadt und andere Denkmäler geerbt, die seit 1993 von der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) als Weltkulturerbe anerkannt sind.

Huế steht jedoch vor zunehmenden Herausforderungen durch den Klimawandel, ein schnelles Bevölkerungswachstum, die rasche Verstädterung, wachsende soziale Ungleichheit und Umweltzerstörung. Die Stadt läuft Gefahr, die Fehler anderer Städte zu wiederholen, indem eine unkontrollierte Stadtentwicklung die sozialen und ökologischen Probleme verschärft. So sind viele südostasiatische Großstädte aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums teilweise außer Kontrolle geraten. Dies hat nicht nur zu einer extremen Verdichtung der Innenstädte, sondern auch zu einer immer stärkeren Ausdehnung ins Umland geführt. In Vietnam ist dies vor allem in den beiden Metropolen Hanoi und Ho Chi Minh City zu beobachten. Aber auch mittelgroße Städte wie Da Nang haben in den letzten Jahren eine starke Verdichtung und Expansion erfahren. Dies führt zu einem raschen Anstieg der Flächenversiegelung und einem Verlust an natürlichen Ökosystemen und Grünflächen. Zudem werden städtische Strukturen nach wie vor auf der Grundlage architektonisch und städtebaulich fragwürdiger Konzepte gebaut, bei denen Asphalt, Beton, Stahl und Glas als Baumaterialien dominieren. Zusätzlich zu den bereits hohen Treibhausgasemissionen, die in Städten durch die hohe Konzentration von Bevölkerung, Industrie und Verkehr verursacht werden, tragen auch gebaute Strukturen wie Häuser, Straßen und Plätze zur Verstärkung des Klimawandels und seiner Auswirkungen bei, denn in städtischen Gebieten werden die klimatischen Bedingungen durch die städtische Struktur und die Materialien, aus denen sie gebaut sind, beeinflusst.

Huế hat bisher glücklicherweise einen etwas anderen Weg eingeschlagen. Sein einzigartiges historisches Erbe als ehemalige kaiserliche Hauptstadt mit beeindruckenden Denkmälern, seine reichen Traditionen in Kultur und Wissenschaft und sein noch relativ intaktes Stadtbild heben es von anderen vietnamesischen und südostasiatischen Städten ab. Da Huế die städtische Struktur von der letzten kaiserlichen Dynastie und der französischen Kolonialarchitektur geerbt hat, besitzt es eine gut strukturierte Stadtlandschaft, vor allem im Herzen seines historischen Zentrums, mit im Vergleich zu anderen vietnamesischen Städten relativ großen Flächen, die für Grünflächen und Wasserflächen vorgesehen sind.

Allerdings leidet insbesondere Zentralvietnam aufgrund seiner exponierten geografischen Lage entlang eines flachen Küstenstreifens, der im Osten an das Südchinesische Meer grenzt und im Westen durch hohe Gebirgszüge vom übrigen Festland der Indochinesischen Halbinsel getrennt ist, regelmäßig unter extremen Hitzewellen, Stürmen, starken Regenfällen und Überschwemmungen. Die Folgen solcher extremen Wetterereignisse sind oft Schäden an der Infrastruktur und eine nicht unerhebliche Zahl von Todesopfern. Die Auswirkungen des Klimawandels sind auch in Huế zunehmend sichtbar. Am offensichtlichsten sind extreme Wetterereignisse wie Taifune mit starken Regenfällen, die zu Überschwemmungen in der Stadt und der umliegenden Provinz führen, sowie extreme Hitzewellen.

Diesen Herausforderungen mit Hilfe von naturbasierten Lösungen zu begegnen, ist eines der Hauptziele des GreenCityLabHuế-Projekts. In seinem Rahmen werden Bildungsaktivitäten in Form einer Ausstellung und öffentlicher Veranstaltungen zum Thema naturbasierte Lösungen und deren Nutzen für die städtische Klimaanpassung durchgeführt, um einen fruchtbaren Boden für diese neue Art der Infrastruktur und Stadtplanung zu schaffen. Außerdem werden Modellierungen von verschiedenen Szenarien der Grün-blauen Infrastruktur-Entwicklung durchgeführt und ihre potentiellen Wirkungen auf verschiedenste Ökosystemdienstleistungen in der Stadt evaluiert. Gemeinsam mit relevanten Akteuren und Bürgern werden in einem Co-Design-Prozess Visionen für eine grüne Stadtentwicklung entwickelt und mit Entscheidungsträgern diskutiert, wie der Ausbau der grün-blauen Infrastruktur in die bestehende Stadtentwicklungsplanung integriert werden kann. Neben einer langfristigen und nachhaltigen Integration von grün-blauer Infrastruktur in die Stadtplanung werden auch kurzfristig umsetzbare Lösungen aufgezeigt, die kostengünstig und schnell an verschiedenen Standorten in der Stadt umgesetzt werden können. Um das Bewusstsein und das Engagement der Bewohner für die Schaffung von Grünflächen in Huế zu fördern, hat das GreenCityLabHuế-Projekt den Gestaltungswettbewerb „Huế Initiatives – Green Space, Green City“ ins Leben gerufen. Der Wettbewerb bot jungen Menschen und Bürgern von Huế die Gelegenheit, innovative Ideen für die Umgestaltung kleinerer Flächen in der Stadt durch naturbasierte Lösungen vorzuschlagen, die in Zukunft als Orte fungieren, die Ökosystemleistungen wie Regulierung des Mikroklimas, Luftreinigung, Transpiration, Infiltration, Rückhaltung, Biodiversität und Erholung in ihrer Umgebung fördern. Durch die beispielhafte Umsetzung solcher kleinräumigen Lösungen, wie die Fassaden- und Dachbegrünung eines Kulturzentrums im zentralen Stadtbezirk (Bezirk) Phú Hội, die Begrünung eines versiegelten Schulhofs durch vertikale Gartenelemente in An Đông, in der Nähe des Stadtzentrums, die Aufwertung und Neubepflanzung kleiner öffentlicher Grünflächen in Tây Lộc im historischen Zentrum und Thủy Biều am Stadtrand von Huế soll gezeigt werden, dass naturbasierte Lösungen auch mit geringen finanziellen Mitteln umgesetzt werden können.

Abbildung 2: Student*innen der Universität Huế arbeiten an Möglichkeiten für naturbasierte Infrastruktur in ihrer Stadt.
Abbildung 3: Steakholdertreffen in Huế — Erarbeitung und Priorisierung von Maßnahmen für Huế.

Die Stadt Huế hat in Bezug auf naturbasierte Klimaanpassung das Potenzial, als Vorbild für andere südostasiatische Städte zu dienen. Begründet durch seine historische Stadtentwicklung gibt es in Huế eine besondere Möglichkeit, naturbasierte Lösungen zu integrieren und Ökosystemleistungen zu nutzen, um Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Die langfristige und groß angelegte Umsetzung dieser Lösungen ist jedoch nicht ohne Herausforderungen.

Ein Hauptproblem ist die Bereitstellung von Finanzmitteln. Die Umsetzung groß angelegter naturbasierter Lösungen erfordert häufig Investitionen und steht in Konkurrenz zu anderen wirtschaftlichen Interessen, die eine nicht nachhaltige Stadtentwicklung vorantreiben können. Hier ist also ein Umdenken in sozialer, ökologischer und ökonomischer Bewertung von Infrastruktur notwendig, damit Entscheidungsträger und Interessengruppen den wahren Wert naturbasierter Lösungen anerkennen und ausreichende Finanzmittel für ihre Umsetzung bereitstellen. Insbesondere in Bezug auf die bereits erwähnten Starkwetterereignisse, die in Vietnam regelmäßig auftreten, gibt es nicht nur in Vietnam, sondern überall auf dem Globus (Stichwort Ahrtal) die Notwendigkeit, die ökonomische Betrachtung klimaschützender Maßnahmen und in diesem Zusammenhang die Kosten von blauer und grüner Infrastruktur mit den Kosten solcher Starkwetterereignisse zu vergleichen. Regierungen, internationale Organisationen und private Investoren sollten ermutigt werden, in grün-blaue Infrastrukturen zu investieren, da dies ein intelligenter und nachhaltiger Ansatz für die Anpassung an den Klimawandel und dessen Abschwächung ist.

Naturbasierte Lösungen – Eine Chance für die Beteiligung

Der Vorteil von naturbasierten Lösungen kann jedoch auch in ihrer Vielseitigkeit und Kosteneffizienz liegen. Eine Kombination vieler kleiner lokalen Maßnahmen ist oft günstiger und schneller zu realisieren, als eine groß angelegte Grünflächenplanung. Dies ist eine Chance für bürgerorientierte Initiativen, die zur Umsetzung naturnaher Lösungen beitragen können und damit auch aktiv ihre Stadt und Wohnviertel mitgestalten können. Durch die Förderung von Beteiligung und die Befähigung der Bürger zum Handeln können die Städte die Kreativität und die Ressourcen ihrer Gemeinschaften nutzen, um eine grünere und widerstandsfähigere städtische Umwelt zu schaffen. Damit geht eine höhere Identifikation der Bevölkerung mit ihrem eigene Wohnumfeld einher.

Das GreenCityLabHuế-Projekt versucht diese Entwicklungen anzustoßen und damit zu einer resilienteren Stadtentwicklung in Huế beizutragen.