UfU Informationen | Ausgabe 9 – Juli 2023 | Alina Beigang & Nicole Grummt

Jugendinteressen, Beteiligung und Nachhaltigkeit

Die Möglichkeiten der Beteiligung für junge Menschen

Jugendbefragung

Im Zeitraum 01.08.2022 bis 30.09.20222 führte das UfU eine Online-Jugendbefragung mit dem Titel „Mitreden bei Umwelt und Klima?“ durch, welche sich an junge Menschen im Alter von 14-27 Jahren aus den ostdeutschen Strukturwandelländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg richtete. Fokus war die Untersuchung, inwiefern sich die Pandemiesituation auf die Möglichkeiten, sich bei Umwelt- und Nachhaltigkeitsangelegenheiten zu beteiligen, ausgewirkt hat. Vor allem diese Regionen sind in den nächsten Jahren durch das Beenden des Bergbaus einem starken Strukturwandel ausgesetzt. Um dort ansässige junge Menschen mit ihren Wünschen in die Entwicklung der Region miteinzubeziehen, ist eine Evaluation der Ausgangslage dieser Menschen wichtig. Insgesamt nahmen 179 Menschen an der Umfrage teil.

Beantwortet wurden Fragen u.a. aus den Bereichen Probleme und Problembewusstsein, Selbstwirksamkeit sowie Beteiligungsmöglichkeiten und -wünsche. Die Ergebnisse der Befragung weisen auf ein breit aufgestelltes Problembewusstsein und ein großes Interesse an Umwelt- und Klimafragen der jungen Leute hin. Gleichzeitig werden die eigenen Handlungsmöglichkeiten unterschiedlich und häufig unzureichend wahrgenommen.

Abbildung 1: „Die größten Probleme auf der Erde sind..." (Mehrfachnennungen möglich), n=179

Herausforderungen und Handlungsspielräume unserer Zeit aus der Sicht der jungen Generation.

Die Klimakrise bzw. der Klimawandel werden als größtes Problem und größte Herausforderung auf der Erde wahrgenommen (Abb.1). Neben dem Klimawandel und umweltbezogenen Themen sind es vor allem auch soziale Herausforderungen wie Krieg, Armut und (globale) soziale Ungleichheiten, die die Befragten beschäftigen. Junge Menschen setzen sich in umfassender Weise mit ihrer Umwelt und den großen Herausforderungen unserer Zeit auseinander. Sie verstehen die Komplexität und den Zusammenhang von Problemen und plädieren vor diesem Hintergrund in großer Mehrheit dafür, dass Probleme zusammengedacht und -bearbeitet werden müssen, damit sich gute Lösungen entwickeln lassen.

In Bezug auf regionale Herausforderungen werden ebenfalls vielfältige Antworten gegeben. Diese reichen von ausbaufähiger Mobilitätsinfrastruktur über Auswirkungen der Klimakrise wie Hitze und Waldbrände, Sorgen aufgrund des Ukraine-Krieges bis hin zum demographischen Wandel und weiteren Aspekten. Bezüglich persönlicher Herausforderungen spielen die psychische Gesundheit sowie Themen von Umwelt und Klima, die Inflation, Corona und Zukunftsunsicherheiten sowie eigene Handlungsspielräume und Zugehörigkeitsfragen unter jungen Menschen eine wesentliche Rolle.

Auf die Frage, wo sich am meisten für Umwelt & Nachhaltigkeit bewegen lässt, wurde am häufigsten „im persönlichen Alltag“ (z.B. Verpackungen vermeiden, Energie sparen) und „durch dauerhaftes politisches Engagement“ (z.B. in Parteien, Jugendparlamenten oder Jugend(umwelt)verbänden“ ausgewählt.

Die Befragten zeigen eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung und Motivation, sich vor allem auch bei Nachhaltigkeitsthemen zu beteiligen. Jedoch fehlt es oftmals an Wissen um Mitbestimmungsrechte und Möglichkeiten der Beteiligung (Abb. 2).

Die Antworten der Befragung zeigen ebenso eine Diskrepanz zwischen den Lebensbereichen, in denen junge Menschen den Befragten zufolge mitreden und mitentscheiden sollten, und solchen, bei denen die Befragten angeben, sich tatsächlich einbringen und mitgestalten zu können. Besonders frappierend unterscheiden sich die angegebene Idealvorstellung und die wahrgenommenen eigenen Einbringungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten in den Bereichen Bundes- und Landespolitik, Bildung/Schule, bei Umwelt/Klima/Nachhaltigkeit und in der Kommunalpolitik (Tab. 1).

Junge Menschen fühlen sich oftmals in ihren Wünschen nicht ernstgenommen. Daher bedarf es, einerseits der Aufklärung über Möglichkeiten zur Partizipation und andererseits der passenden, den Lebenswelten junger Menschen entsprechenden Beteiligungsformate.1 Darüber hinaus wurden in unserer Befragung weitere Bedarfe junger Menschen deutlich, wenn Jugendbeteiligung gelingen soll. Sie fordern u.a. mehr freie Zeit, Aufklärung über Mitbestimmungsrechte in Schule, Stadt, Universität und Beruf und mehr Informationen über Angebote zur Beteiligung (Abb. 3).

Die bestehenden organisatorischen sowie strukturellen Defizite, die einer tatsächlich stattfindenden Jugendbeteiligung im Wege stehen, werden als Diskrepanz zwischen dem, was junge Menschen denken, wo sie sich beteiligen und mitbestimmen sollten und dem, wo sie sich ihrem Eindruck nach einbringen können, sichtbar.

Hintergrund, Bezüge und Projektaktivitäten

Hintergrund der durchgeführten Befragung war unter anderem der Wunsch, mithilfe der Ergebnisse die Ausgestaltung des Projekts „RevierUPGRADE“ entsprechend der Bedürfnisse junger Menschen zu entwickeln. In dem Projekt will das UfU gemeinsam mit der BUNDjugend die Jugendbeteiligung an einem sozial-ökologischen Strukturwandel im Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier stärken. Denn die Transformationsprozesse im Rahmen des Strukturwandels müssen sich an Fragen der inter- und intragenerationellen Gerechtigkeit, an Verteilungsgerechtigkeit und Verfahrensgerechtigkeit messen, da sie heute schon wichtige Weichen für die künftige Entwicklung stellen. Um zukunftsfähig zu sein, müssen junge Stimmen an den Prozessen besser partizipieren können und sozial-ökologische Aspekte eine zentrale Rolle einnehmen.

Zum Auftakt des RevierUPGRADE-Projekts hat Ende März das Dialogforum „RevierUPGRADE: Wir. Jetzt. Nachhaltig. – Sozial-ökologischer Strukturwandel von jungen Menschen gestaltet“ in Leipzig stattgefunden. Hier kamen vielfältige Akteur*innen aus den Bereichen Jugendarbeit, Jugendinteressenvertretung, Umwelt, Stadtentwicklung, Nachhaltigkeitsinitiativen und Aktivist*innen zusammen, um gemeinsam neue Ideen zu entwickeln. Stefan Rostock konnte mit einem Vortrag zum Thema Handprint inspirieren. Dieser Ansatz regt an, über den individuellen Fußabdruck hinaus zu denken und den Handabdruck des eigenen gesellschaftlichen bzw. politischen Engagements zu vergrößern, um so nachhaltige Veränderungen aktiv mit zu gestalten. Zudem berichteten Gäste vom Jugendforum Brandenburg und aus der Stadtverwaltung Cottbus von ihren Ansätzen der Jugendbeteiligung auf Landes- bzw. Kommunalebene.

Kommende Projektaktivitäten im Projekt RevierUPGRADE

Im Projekt sind vielfältige Aktivitäten geplant. Aufsuchende Angebote zur Bildung und Beteiligung werden mithilfe von zwei E-Lastenrädern durchgeführt. Des Weiteren werden Workshops und Future Labs zur Orientierung im Bereich Arbeit und Ehrenamt stattfinden, um Engagementmöglichkeiten greifbar und erlebbar zu machen.

Darüber hinaus wird in zwei Jahrgängen ein Coachingprogramm für interessierte Jugendliche und Erwachsene angeboten, um das „Handwerkszeuge“ zur eigenen Interessensvertretung zu erlernen.