UfU Informationen | Ausgabe 14 – Juni 2025 | Niklas Müller & Tarek Weinhold
Klimaanpassung selbstgemacht
Naturbasierte Lösungen für die Nachbarschaft
Naturbasierte Lösungen
Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich deutschlandweit in Form vermehrter Starkregenereignisse und Hitzewellen bemerkbar. Neben dem Klimaschutz, bedarf es auch der Klimaanpassung. Klimaanpassung verfolgt das Ziel, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen und diese abzumildern. Ein enormes Anpassungspotenzial bieten dabei sogenannte naturbasierte Lösungen (NbS). Dies sind gestalterische Maßnahmen, die von der Natur inspiriert sind und unter anderem dem Biodiversitätsverlust und Temperaturanstieg entgegenwirken. Im urbanen Raum lassen sich hierfür zum Beispiel Fassaden- und Dachbegrünungen sowie Regengärten nennen. Weitere Beispiele sind Pflanzkübel, Pergolen, Parklets oder Verdunstungsbeete. Im Gegensatz zu herkömmlichen Anpassungsmaßnahmen wie Klimaanlagen oder Gebäudeisolierung bieten naturbasierte Lösungen zusätzliche Vorteile, die insbesondere aus ökologischen Gesichtspunkten wertvoll sind.
Projekt „Klimaanpassung selbstgemacht“
Naturbasierte Lösungen können sowohl von Städten, Kommunen und Ländern als Teil eines breiten Maßnahmenkataloges zur Bewältigung des Klimawandels, als auch im kleinen Rahmen in der eigenen Nachbarschaft von Bürger*innen initiiert und umgesetzt werden. Für letzteren Fall hat das UfU das Projekt „Klimaanpassung selbstgemacht“ entwickelt mit dem Ziel, Bürger*innen zum Thema Klimaanpassung zu sensibilisieren und dazu anzuregen naturbasierte Lösungen in der eigenen Nachbarschaft umzusetzen. Gemeinsam mit unseren Projektpartnern in den Städten Halle (Saale) und Cottbus wurden Klimaanpassungsmaßnahmen auf ausgewählten Flächen mittels partizipativer Formate umgesetzt. Dazu konnten
Bürger*innen im Vorfeld über eine interaktive Karte Flächenvorschläge einreichen. An dem Prozess beteiligt waren Bürger*innen, die Zivilgesellschaft, Studierende der Hochschule Anhalt sowie die Stadtverwaltungen und Schüler*innen. Der Fokus lag dabei auf niedrigschwelligen Maßnahmen auf öffentlichen Flächen, die im Rahmen von Aktionstagen im Oktober 2024 in beiden Städten gemeinsam umgesetzt wurden.
Vorteile naturbasierter Lösungen | |
Förderung der Biodiversität | Naturbasierte Lösungen schaffen vielfältige Lebensräume, in denen unterschiedliche Pflanzen- und Tierarten leben können. Diese erhöhen die Artenvielfalt, stabilisieren das ökologische Gleichgewicht und tragen zur Stärkung des lokalen Ökosystems bei. Zudem ist die Biodiversität essenziell zum Erhalt und der Förderung von Ökosystemdienstleistungen. |
Artenschutz | Naturbasierte Lösungen unterstützen den Artenschutz, indem sie bedrohten Arten ein Zuhause bieten. Zudem wird das Überleben von Pflanzen und Tieren gesichert und ihre Populationen stabilisiert. |
Verbesserung des Mikroklimas | Grüne Infrastrukturen wie Parks, Fassadenbegrünungen oder Gründächer helfen das Mikroklima in Städten zu regulieren. So können sie beispielsweise die Lufttemperatur senken, über Frischluftschneisen die Belüftung der Stadt fördern, die Luftfeuchtigkeit erhöhen oder die Sonneneinstrahlung reduzieren und somit für ein besseres Wohlbefinden sorgen. |
Kühlungseffekt | Pflanzen haben einen natürlichen Kühlungseffekt, da sie durch Verdunstung von Wasser und Schattenspende die Umgebungstemperatur senken. Naturbasierte Lösungen können somit städtische Wärmeinseln abmildern. Dies ist insbesondere bei Hitzewellen für gesundheitlich geschwächte Menschen relevant. |
Wasserretention und Entlastung der Kanalisation | In Städten wird das Oberflächenwasser zu einem großen Teil in die Kanalisation abgeleitet, was zu einer Überlastung der Abwassersysteme führen kann. Naturbasierte Lösungen, wie Stadtwälder oder Parks, tragen dazu bei, die Kanalisation zu entlasten, indem sie Regenwasser aufnehmen, langsam versickern lassen oder es an die Umgebung abgeben. Dadurch wird ein wirksamer Schutz vor Überschwemmungen gewährleistet. |
Grundwasserneubildung | Das Grundwasser stellt eine bedeutende Quelle zur Trinkwassergewinnung dar und wird durch Regenwasser gespeist. Durch Naturbasierte Lösungen wie die Begrünung von Flächen kann Regenwasser in den Boden versickern und gefiltert werden, wodurch die Grundwasserneubildung gefördert wird. Insbesondere in städtischen Gebieten, in denen Versickerung durch Versiegelung stark eingeschränkt ist, ist dies von großer Bedeutung. |
Kohlenstoff-bindung in Biomasse | Pflanzen nehmen Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Luft und Wasser aus dem Boden auf und wandeln es durch Photosynthese in Glukose und Sauerstoff um. Naturbasierte Lösungen leisten einen Beitrag zur Kohlenstoffbindung und tragen zum natürlichen Klimaschutz bei. |
Verbesserung der Luftqualität | Pflanzen filtern Schadstoffe wie Feinstaub aus der Luft und verbessern die Luftqualität. Dies fördert die Gesundheit der städtischen Bevölkerung. |
Erosionsschutz | Naturbasierten Lösungen wie Bepflanzungen schützen vor Erosion, indem sie den Boden stabilisieren und festigen. Die Wurzeln von Pflanzen halten den Boden zusammen und verhindern Erdrutsche, was besonders an Hängen und Ufern eine wichtige Rolle spielt. |
Schalldämpfung | Pflanzen wirken als natürliche Schalldämpfer, indem sie Lärm absorbieren und die Geräuschkulisse in städtischen Gebieten verringern. Grünflächen wie Parks bieten daher eine beruhigende Wirkung und tragen zur Lärmminderung bei. |
Ästhetik und Erholung | Grüne Landschaften verschönern den urbanen Raum und laden zum Verweilen ein. Sie sind Orte zum Entspannen, zur Begegnung und zur Erholung. Naturbasierte Lösungen dienen somit der geistigen und körperlichen Gesundheit der urbanen Bevölkerung. |
Flächenauswahl
In Cottbus lenkten die lokalen Projektpartner, der BUND Brandenburg und Stadtteilladen Neu-Schmellwitz, den Blick auf den Ernst-Mucke-Platz im Stadtteil Neu-Schmellwitz. Dieser heizt sich im Sommer durch die großflächige Versiegelung und Sonneneinstrahlung stark auf und war akut von Baumfällungen bedroht, da die Bäume den extremen Bedingungen des Platzes nicht standhielten. Deswegen wurde der Platz als Projektfläche für klimaangepasste Aufwertungen ausgewählt. In Konflikt dazu stand jedoch die bestehende Fördermittelzweckbindung, die bis 2029 größere Veränderungen des Ernst-Mucke-Platzes ausschließt, da ansonsten Fördermittel an das Land Brandenburg hätten zurückgezahlt werden müssten. Aus diesem Grund wurde sich hauptsächlich auf die klimaangepasste Aufwertung der Baumscheiben im Süden des Platzes und der westlichen Grünfläche konzentriert, weil diese den wesentlichen Charakter des Platzes nicht veränderte.
In Halle (Saale) erfolgte die Auswahl zweier Flächen auf Basis der zuvor eingereichten Flächenvorschläge über die oben genannte Projektseite. Dabei handelte es sich um eine Grünfläche am Kirchtor beim Botanischen Garten und einen überdimensionierten Gehweg an der Klausbrücke. Erstere wurde aufgrund von Nutzungskonflikten von der Stadtverwaltung nicht zur Verfügung gestellt. Letztere wurde im Projektverlauf nicht weiter berücksichtigt, da nicht genügend finanzielle und zeitliche Ressourcen zur Verfügung standen. Als Alternative bot die Stadtverwaltung den Innenhof am Kinder-, Jugend- und Familienzentrum Dornröschen in Halle-Neustadt an.
Ideen- und Planungswerkstatt
Um die Partizipation der Bevölkerung an der klimaangepassten Aufwertung der ausgewählten Flächen zu ermöglichen, wurden mehrere Veranstaltungen initiiert. Zunächst wurde in Halle (Saale) und Cottbus jeweils eine Ideenwerkstatt ausgerichtet, in der gemeinsam mit Bürger*innen über den Status-Quo und die Bedarfe für die klimaangepasste Umgestaltung des Ernst-Mucke-Platzes in Cottbus und dem Innenhof am Dornröschen in Halle gesprochen wurde. Es wurden erste Ideen gesammelt, welche im Anschluss von Landschaftsarchitektur-Studierenden der Hochschule Anhalt genutzt wurden, um erste Umgestaltungsentwürfe zu erstellen. In den darauffolgenden Planungswerkstätten präsentierten die Studierenden ihre vorläufigen Entwürfe den Bürger*innen aus Halle (Saale) und Cottbus. Die Entwürfe wurden diskutiert und anschließend von der Studierenden überarbeitet. Die Planungswerkstätten hatten weiterhin zum Ziel über die genaue Umsetzung der Umgestaltungsvorschläge wie zum Beispiel die Gewinnung von Fördermitteln und Freiwilligen zu sprechen. Die Ergebnisse dienten als Basis für die Planung der Aktionstage im Oktober 2024 in Cottbus und Halle (Saale) und flossen in die finale Entwurfsgestaltung mit ein.
Aktionstage in Cottbus:
Vom 17. bis 19. Oktober 2024 fanden die Aktionstage zur klimaangepassten Umgestaltung des Ernst-Mucke Platzes in Cottbus statt. Mit der Unterstützung verschiedener Einrichtungen und tatkräftiger Freiwilligen, konnten die Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden. Im südöstlichen Teil wurden drei leere Baumscheiben mit der Staudenmischung „Licht und Leicht“ bepflanzt, welche für trockene und nährstoffarme Standorte angepasst ist. Darunter befinden sich u.a. der Wurmfarn und der Blaustern. Die Stauden fördern die Biodiversität des Ernst-Mucke-Platzes, da der Nektar der Blüten Insekten als Nahrungsquelle dient. Des Weiteren verschönern sie die zuvor kargen Baumscheiben und erhöhen somit die Aufenthaltsqualität.
Im westlichen Teil des Platzes wurden die verwilderte Grünfläche wiederhergerichtet und mehrere Feuerdorn- und Berberitzensträucher gepflanzt sowie Apfelrosen, Bibernellrosen und Hundsrosen, die in der Blütezeit einen angenehmen Duft versprühen und durch Verdunstung die Umgebungsluft kühlen. Zudem hat die Stadt Cottbus in Zusammenarbeit mit dem Projektkonsortium 3 Himalaya-Birken gepflanzt, welche durch ihren Schatten den Ernst-Mucke-Platz zusätzlich kühlen werden. All diese Arten kommen gut mit den trockenen und nährstoffarmen Bedingungen zurecht und bedürfen nur wenig Pflege. Abschließend wurde Rindenmulch auf der Fläche verteilt.
Zudem wurden Holzauflagen an drei Stellen der westlichen Steinmauer angebracht, welche den Sitzkomfort der Besucher*innen weiter erhöhen werden. Während der Aktionstage gab es weitere Mitmach-Angebote für Klein und Groß. So konnten Samenbomben hergestellt, Pfanzschilder bemalt sowie Beutel mit Pflanzendruck bestückt werden. Außerdem wurde ein Hochbeet für eine lokale Altenpflegeeinrichtung gebaut.
Aktionstage in Halle (Saale)
Vom 10. bis 12. Oktober 2024 fanden die Aktionstage zur klimaangepassten Umgestaltung des Innenhofs am Kinder-, Jugend und Familienzentrum Dornröschen in Halle (Saale) statt. Mit Unterstützung der ansässigen Einrichtungen und der tatkräftigen Hilfe von Freiwilligen, konnten auch die Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden. Im westlichen Teil wurden vier Biodiversitätsinseln aus Weißdorn, Kornellkirsche, Felsenbirne und Haselnuss gepflanzt sowie Sitzmöglichkeiten aus Baumstämmen errichtet. Die Biodiversitätsinseln bestehen aus heimischen und trockenresistenten Sträuchern, die Insekten und kleinen Säugetieren Nahrung und Unterschlupf bieten. Die Früchte sind essbar. Zudem sorgen die Sträucher im Sommer für die Kühlung der Umgebungsluft.
Im südlichen bis südöstlichen Teil wurde eine Wildblumenwiese ausgesät und mit Totholzhecken umrandet. Diese Maßnahmen fördern die Biodiversität des Innenhofs, da der Nektar der Wildblumen Insekten als Nahrung dient und die Totholzhecken ihnen einen Unterschlupf bieten. Im Osten wurde eine runde Fläche mit Mulch angelegt, die mit längeren Baumstämmen begrenzt wird und so als Sitz- und Spielmöglichkeit dient.
Zudem wurde eine neue Bank angebracht und zwei ältere Bänke repariert, um weitere Sitzmöglichkeiten zu schaffen. Erstere befindet sich im Westen der Fläche und hat einen direkten Blick auf die Biodiversitätsinsel. Die reparierten Bänke befinden sich gegenüber der Wildblumenwiese und der Totholzhecken. Die Sitzmöglichkeiten wurden auf Wunsch der ansässigen Vereine geschaffen, um den Innenhof für Kinder, Jugendliche und Familien besser nutzbar zu machen. Neben der Umsetzung der Maßnahmen gab es auch hier mehrere Mitmachangebote, wie Samenkugeln herstellen, Pflanzendruck auf Beuteln und das Bemalen der Hinweisschilder.
Partizipation und Teilhabe
Partizipation ist einer der wichtigsten Aspekte eines Projektes. Wenn Personen die Möglichkeit bekommen eigene Ideen und Wünsche in ein Projekt einzubringen, steigt dessen Akzeptanz und positive Wahrnehmung. Des Weiteren können durch Partizipation weitere Punkte in der eigenen Planung berücksichtigt werden, da Ortsansässige sich meist besser mit den lokalen Bedürfnissen und Gegebenheiten auskennen als Planer*innen, die das erste Mal vor Ort sind. Partizipation kann in verschiedensten Formaten durchgeführt werden und hat je Art der Durchführung Vor- bzw. Nachteile. Oft werden Beteiligungszeiträume festgelegt, in denen wichtige Unterlagen bspw. Umgestaltungsvorschläge der Öffentlichkeit zur Stellungnahme zur Verfügung gestellt werden. Mit der zunehmenden Digitalisierung wird Partizipation vermehrt online veranstaltet. Dies hat Vorteile im Vergleich zu Beteiligungsveranstaltungen, da Personen sich selbst im Beteiligungszeitraum unabhängig von Ort und Zeit beteiligen können. Jedoch setzen digitale Formate voraus, dass jede*r Zugang zum Internet hat und die nötige technische Ausstattung besitzt.
Finanzierung
Das Projektteam bestehend aus dem Unabhängigen Institut für Umweltfragen, dem Mehrgenerationenhaus Pusteblume, dem Stadtteilladen Neu-Schmellwitz und dem BUND Brandenburg bedankt sich ganz herzlich bei allen Freiwilligen und den Stadtverwaltungen Halle (Saale) sowie Cottbus für die Unterstützung der Aktionstage. Ein großes Dankeschön geht auch an Alexander Hieke von Grüne Träume Garten- und Landschaftsbau in Halle (Saale) und Garten- und Landschaftsbaubetrieb Grüne Gärten in Cottbus für die fachkundige Beratung und Begleitung. Die Maßnahmen in Halle (Saale) wurden gefördert von der Bürgerstiftung Halle und der Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt (SUNK). In Cottbus wurden die Aktionstage unterstützt durch das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg aus der Konzessionsabgabe Lotto im Rahmen der Lokalen Agenda 21 Förderung.