UfU Informationen | Ausgabe 9 – Juli 2023 | Dr. Christoph Herrler

Klimaethische Prinzipien

Drei Prinzipien zu den Kosten der Klimarettung

Klimaretten kostet. Nicht nur Geld, sondern zum Beispiel auch Zeit, materielle Ressourcen, Arbeitsplätze in bestimmten Branchen und nicht zuletzt Nerven. Das wirft die Frage auf, wer denn diese Kosten zu schultern habe. Global und intergenerationell gesehen ergibt sich daraus ein Problem der Verteilungsgerechtigkeit. In der Klimaethik werden diesbezüglich drei Prinzipien als diskutabel angesehen.

Das Verursacherprinzip (VP)

Das Verursacherprinzip (VP) besagt: Wer den Schaden verursacht hat, soll ihn auch beseitigen. Dieses nicht nur in der Umweltpolitik (z.B. §13 BnatSchG) gängige, sondern für viele auch intuitiv naheliegende Prinzip würde bedeuten, dass insbesondere die Verursacher des Klimawandels für Klimaschutz zuständig sind. Das VP ist in diesem Sinne also ein historisches Prinzip, da es den Anspruch hat, auch vergangene Treibhausgasemissionen miteinzubeziehen. Allerdings zeigen sich bei genauerer Betrachtung einige Schwierigkeiten: Sollen alle Emissionen seit Beginn der Industrialisierung berücksichtigt werden – oder nur ab einem Jahr, ab dem man nicht mehr von einer entschuldbaren Unkenntnis über die Auswirkungen ausgehen kann (z.B. 1990, in dem der erste IPCC-Bericht erschien)? Sind dabei alle Emissionen gleich zu gewichten – oder sollte nicht besser zwischen lebenswichtigen Subsistenzemissionen und Luxusemissionen unterschieden werden? Und widerspricht es nicht eigentlich dem Grundgedanken des Prinzips, wenn man so womöglich für die Fehler der (oft mitunter bereits verstorbenen) Vorfahren belangt wird?

Das Nutznießerprinzip (NP)

Gerade diese letzte Frage versucht das Nutznießerprinzip (NP) zu beantworten: Ihm zufolge ist nicht die Verursachung entscheidend für einen höheren Grad an Verpflichtung, sondern die Tatsache, dass man von treibhausgasintensiven Entwicklungen profitiert (hat). Dass dies gerade in Industrieländern mit ihrem relativ hohen Lebensstandard der Fall ist, ist wohl nur schwer zu bestreiten. Doch schon bei der Frage, wie groß der Spill Over-Effekt auf andere Länder ist, wird es knifflig: Profitieren letztlich nicht alle Länder vom medizinischen Fortschritt, egal wo dieser entstanden ist? Noch schwieriger dürfte allerdings die Frage sein, wie sich Treibhausgase nach diesem Prinzip quantifizieren und historisch verorten ließen (zumal sich die Staatenwelt seit der Industrialisierung ja auch geändert hat) – Stichwort ‚graue Emissionen‘. Wie auch das VP muss das NP mit historischen Emissionen umgehen, die einige Probleme aufwerfen – sodass manche Wissenschaftler*innen aus pragmatischen Gründen sogar von deren Berücksichtigung abraten.

Das Zahlungsfähigkeitsprinzip (ZP)

In diesem Sinne ahistorisch ist das Zahlungsfähigkeitsprinzip (ZP): Wenngleich sich in diesem Kontext auf die in Relation häufig deutlich höheren Emissionen von Wohlhabenderen verweisen lässt, ist die historische Verursachung des Klimawandels bei diesem Prinzip nicht von Belang. Es belegt schlicht diejenigen, die zahlungsfähiger sind, d.h. es sich einfacher leisten können, mit höheren Klimaschutzkosten. Allerdings kann es dadurch nicht die Generierung des Wohlstands berücksichtigen – reiche Klimaschützer müssten ebenso zahlen wie reiche sog. ‚Klimasünder‘. Dies widerspricht vermutlich dem Gerechtigkeitsempfinden vieler. Umgekehrt besteht der Vorteil des Prinzips darin, relativ einfach umsetzbar zu sein – schließlich fällt es nicht allzu schwer, den Wohlstand zu messen.

Ein mögliches Ergebnis wäre, das praktikable ZP mit einem der beiden historischen Prinzipen zu kombinieren, um eine faire Kostenverteilung zu erreichen. Für welche Prinzipien man sich auch entscheidet – letztlich wird es vermutlich immer darauf hinauslaufen, dass global gesehen der reichere Norden, und intergenerationell betrachtet, die gegenwärtige Generation an ihre Verantwortung erinnert wird, den Klimaschutz deutlich intensiver zu verfolgen als bisher.

Siehe für eine ausführlichere Diskussion: Herrler, Christoph (2017): Warum eigentlich Klimaschutz? Zur Begründung von Klimapolitik. Baden-Baden (Nomos), Kapitel IV.2.