UfU Informationen | Ausgabe 6 – Oktober 2022 | Jonas Rüffer

Die Rolle der Natur im Kriegsfall

Die Natur als Opfer und Täter

Soll die Umweltzerstörung in Kriegen bemessen werden, kann grundsätzlich zwischen zwei Arten von Umweltzerstörung unterschieden werden:

  • Umwelt als Opfer
  • Umwelt als Täter

Ist die Umwelt oder Natur Opfer des Krieges, wird sie durch kriegerische Auseinandersetzungen in Mitleidenschaft gezogen. Muss beispielsweise ein Panzergeschwader eine bewaldete Fläche überqueren, wird diese Fläche für den Kriegszweck gerodet. Werden feindliche Stellungen mit Artillerie beschossen, entstehen dabei zwangsläufig auch Schäden im Boden und an Flora und Fauna. Dabei wird der Schaden an der Umwelt billigend in Kauf genommen, um das Terrain zu kontrollieren oder sich zum Kriegszweck zunutze zu machen.1

Anders verhält es sich mit der Umwelt in Täterrolle. In diesem Fall werden die Natur und das Terrain der Auseinandersetzung auf eine Art und Weise verändert, dass sich die so manipulierte Natur gegen die gegnerische Kriegspartei richtet. Werden zum Beispiel gezielt Flüsse umgeleitet, um Überschwemmungen zu provozieren oder Ernten vernichtet, spricht man von der Umwelt in Täterrolle.2 Beispiele finden sich bereits früh in der Geschichte. Im Altertum war es eine beliebte Kriegstechnik, Trinkwasserquellen des Gegners mit Fäkalien und Tierkadavern zu verseuchen, um beispielsweise belagerte Städte zur Kapitulation zu zwingen.3

Ein modernes und gleichzeitig erschreckendes Beispiel für den Versuch, die Natur als Waffe zu benutzen ist die Studie „Weather as a Force Multiplier: Owning the Weather in 2025“ der US Air Force. Die Studie untersucht, inwiefern es dem US Militär, genauer gesagt der amerikanischen Luftwaffe, möglich wäre, bis zum Jahr 2025 Kontrolle über das Wetter zu erlangen und damit zukünftige kriegerische Auseinandersetzungen entscheidend zu verändern.4 Die Studie spielt mit dem Gedanken, Wetter nicht nur im positiven für die US Air Force, sondern notfalls auch so einschneidend verändern zu können, dass die globale Kommunikation kontrolliert wird oder gezielt Stürme, Überschwemmungen oder Dürre hervorgerufen werden können. Was auf den ersten und auch zweiten Blick wie eine orwellsche Dystopie klingt, wurde bereits im Vietnamkrieg erprobt.

Mit der Operation Popeye versuchten die USA künstliche Regenfälle in Nord Vietnam und Süd Laos zu erzeugen, indem Wolken mit Silberiodid „geimpft“ wurden. Die so erzeugten vermehrten und starken Regenfälle sollten die Versorgungstransporte in Nord Vietnam unterbinden.5

Mit diesen Flugzeugen wurde die Operation Popeye durchgeführt.

Eine Lockheed AC-130A

By Eugene Uhl - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=42616830

Eine McDonnell Douglas F-4 Phantom II

By U.S. Air Force photo 342-C-KE-36092

Quellenverzeichnis:

  1. Wolfgang Lohbeck (2005), Umwelt und bewaffneter Konflikt: Dilemma ohne Ausweg?
  2. Wolfgang Lohbeck (2005), Umwelt und bewaffneter Konflikt: Dilemma ohne Ausweg?,
  3. Tim Ohnhäuser (2009), Die Leiche als Waffe. Vom Kadaver zur biologischen Kampfstoffentwicklung
  4. House, Tamzy; Near, James; Shields, William; Celentano, Ronald; Husband, David; (1996): Weather as a Force Multiplier: Owning the Weather in 2025
  5. Office of the Historian: 274. Memorandum From the Deputy Under Secretary of State for Political Affairs (Kohler) to Secretary of State Rusk; https://history.state.gov/historicaldocuments/frus1964-68v28/d274