UfU Informationen | Ausgabe 5 – Juni 2022 | Fachgebiet Umweltrecht & Partizipation

Evaluation Öffentlichkeitsbeteiligung

Das UfU untersucht mit dem Öko-Institut Öffentlichkeitsbeteiligung

Demokratie und Beteiligung sind für das UfU schon immer zentrale Themenschwerpunkte gewesen, die stark miteinander verwoben sind. Seit seiner Gründung 1990 setzt sich das UfU für die Rechte der Zivilgesellschaft ein und arbeitet in zahlreichen Projekten zu der Funktion und Wirkung von Beteiligungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Ländern.

Beteiligungsmöglichkeiten, also die Teilhabe an der Entstehung, Diskussion und Entscheidung über Gesetzgebungsprozesse, Planung von Infrastruktur und sonstigen Vorhaben, sind heutzutage Teil des demokratischen Apparates und werden den Bürger*innen in westlichen Demokratien in unterschiedlichen Maß per Gesetz zugestanden. Durch Beteiligung soll Transparenz für staatliches und wirtschaftliches Handeln entstehen und diesen Prozessen Legitimität verliehen werden.

Beteiligungsprozesse bei der Umweltverträglichkeitsprüfung

Beteiligung ist in Deutschland und in der EU gesetzlich geregelt. Durch die Aarhus-Konvention, verschiedene EU-Direktiven und andere Gesetze, wie dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), werden den Bürger*innen Beteiligungsrechte in verschiedener Form zugestanden. Eine konkrete Form der Beteiligung gibt es beispielsweise bei der sogenannten Umweltverträglichkeitsprüfung. Die nationale Regelung zu dieser Umweltverträglichkeitsprüfung lautet:

„Durch die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) wird festgestellt und in einem Bericht beschrieben, wie sich ein Projekt auf Menschen (einschließlich der menschlichen Gesundheit), Tiere, Pflanzen, biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft sowie Kulturgüter auswirken kann. Zu dem Bericht können die Öffentlichkeit, fachlich betroffene Behörden, aber auch Bürger und Behörden in eventuell betroffenen Nachbarstaaten Stellung nehmen. Die Behörde, die für die Zulassung eines Projektes zuständig ist, hat die Aufgabe, die Informationen und Stellungnahmen zu bewerten und die Ergebnisse der UVP bei ihrer Entscheidung über die Zulassung eines Projektes zu berücksichtigen.“ (BMUV).

Werden also Projekte wie Autobahnen, Fabriken oder Kraftwerke geplant, dürfen alle EU-Bürger*innen die Pläne für diese Vorhaben einsehen. Ist man mit dem Vorhaben nicht einverstanden, können Einwände erhoben werden und ein Erörterungstermin findet statt. Die Einwände müssen dann öffentlich angehört und debattiert werden.

Diese Rechte zu wahren wird als wichtig erachtet. Für diese Vorhaben kann durch Beteiligung dauerhaft Legitimität geschaffen, Korruption verhindert und Fehlplanung vermieden werden. Nicht zuletzt aber können Planungsbehörden durch Öffentlichkeitsbeteiligung auf die gesammelte Expertise der eigenen Bürger*innen zugreifen. Hilfreiche Einwände und Hinweise von Bürger*innen, Vereinen und wissenschaftlichen Instituten liefern Expertise in der Planung, die ohne Öffentlichkeitsbeteiligung nicht zur Verfügung stünde.

Ein besonders prominentes Beispiel für Öffentlichkeitsbeteiligung ist der Bau der Tesla-Fabrik in Brandenburg. Durch Einsicht in die Akten gab es insgesamt über 800 Einwände gegen den Bau der Fabrik durch Privatpersonen, Institutionen oder Vereinigungen.

Ganz gleich ob man dabei für oder gegen den Bau der Fabrik im brandenburgischen Grünheide ist und war, ganz gleich für wie valide man die Argumente der einwendenden Personen und Institutionen gegen die Fabrik hält, diese Rechte der Beteiligung werden durch die Europäische Kommission in der EU-Directive 2011/92/EU gesichert. Sie gelten sowohl beim Bau einer Fabrik wie von Tesla in Grünheide, als auch für die nächste Düngemittelverordnung, die nächste Einstufung über gesundheitsgefährdenden Stoffe in Produkten oder das nächste geplante Kraftwerk.

Die Evaluation der Funktionsweise und Wirkung dieser Art der Öffentlichkeitsbeteiligung

Im unserem Projekt „Evaluation der Öffentlichkeitsbeteiligung“ untersuchen wir gemeinsam mit dem Öko-Institut im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) die Wirkung dieser Öffentlichkeitsbeteiligung auf umweltrelevante Großvorhaben. Denn, der Öffentlichkeitsbeteiligung werden in der Literatur wichtige Ziele und Funktionen zugeschrieben. Diese umfassen unter anderem:

  • Bessere Berücksichtigung von Umweltinteressen durch Informationsgewinn (ökologische Effektivität)
  • Kosteneinsparungen z. B. durch Vermeidung von Fehlplanungen (Effizienz).
  • Die bereits angesprochene Legitimität und Transparenz staatlichen und wirtschaftlichen Handelns

Gleichzeitig werden aber Beteiligungsrechte (und besonders Klagerechte der Umweltvereinigungen) in der politischen Diskussion kritisch beleuchtet und als investitionsfeindlich und –hemmend gesehen. Insbesondere die zeitliche Verzögerung von Planungsverfahren wird oft mit Klagen aus der Zivilgesellschaft und von Umweltverbänden in Verbindung gebracht.

Ziel des Projekts ist es deshalb herauszufinden, wie sich die Öffentlichkeitsbeteiligung auf die umweltrelevanten Großverfahren auswirkt, um mit einer empirisch belegbaren Untersuchung die beiden äußersten Pole zu diesem Thema einander näher zu bringen.

Ein besonderes Augenmerk der Untersuchung liegt hierbei auf der Umweltwirkung der Öffentlichkeitsbeteiligung. Mit der Evaluation soll herausgefunden werden, inwieweit die Öffentlichkeitsbeteiligung unter den bestehenden Voraussetzungen ihrer Funktion zur besseren Berücksichtigung von Umweltinteressen nachkommen kann. Dabei möchte das Forscherteam mit den Ergebnissen der Untersuchung auch konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung machen.

Die Untersuchung

Für die Untersuchung wurden deutschlandweite telefonische Befragung von Bürger*innen (über 2000 Antwortsätze) und eine Online-Befragung von Vorhabenträgern (72 Antwortsätze), Umweltvereinigungen (96 Antwortsätze) und Behörden (122 Antwortsätze) durchgeführt. Ergänzt wurde dieser Schritt durch eine systematische Untersuchung von 100 einschlägigen Planungs- und Zulassungsverfahren. Hierbei wurde sowohl erfasst, ob und wie Öffentlichkeitsbeteiligung stattfand, ob umweltrelevante Belange von Bürger*innen oder Umweltvereinigungen eingebracht wurden und welche Wirkung diese im Verfahren hatten. Abschließend wurden 15 Verfahren vertieft untersucht, insbesondere auch für die Ermittlung von Kosten und Nutzen der Öffentlichkeitsbeteiligung. Hierzu wurden sowohl die Dokumente zum Vorhaben, z.B. Protokolle des Erörterungstermins, vertieft ausgewertet als auch zwischen zwei und fünf Interviews mit beteiligten Behördenmitarbeiter*innen, Bürger*innen, Vorhabenträgern, Vertreter*innen von Umweltvereinigungen und anderen geführt.

Diese intensive Evaluation der Öffentlichkeitsbeteiligung in Zulassungsverfahren ist in diesem Bereich eine der ersten umfassenden Untersuchungen ihrer Art. Wir möchten mit diesem Projekt eine Forschungslücke schließen und endlich belastbare empirische Ergebnisse über Öffentlichkeitsbeteiligung in diesem Bereich erlangen. Die Ergebnisse unserer Untersuchung werden voraussichtlich im Laufe des Jahres vorgestellt. Der Abschlussbericht wird aber auch im UfU veröffentlicht und Ihnen zugänglich gemacht.