31. Oktober 2022

Den Dialog zwischen Naturschutz und Architektur fördern

Fachtagung Architektur und Biologische Vielfalt

Urbane Räume gelten längst als Hotspots der biologischen Vielfalt. Gebäude sind wichtige Lebensräume für viele Tierarten. Architekt*innen können mit der Gestaltung von Gebäuden eine Schlüsselrolle für die Förderung der Biodiversität spielen. Deswegen diskutierten auf der Fachtagung Architektur + Biologische Vielfalt Architekt*innen und führende Wissenschaftler*innen, wie eine ökologisch nachhaltige Baukultur aussehen kann.

Welche Herausforderungen liegen vor uns

Vogelschlag an Glas, Lichtverschmutzung sowie die Zerstörung von Niststätten durch Bauaktivitäten gefährden die Artenvielfalt in urbanen Räumen. In Europa und Nordamerika fallen 500 Millionen bis eine Milliarde Vögel jährlich Vogelschlag an Glas zum Opfer. Des Weiteren stieg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die nächtliche Beleuchtungsintensität jährlich um 3-6%. So führt gerade bei Insekten die nächtliche Beleuchtung zu einem regelrechten Staubsaugereffekt. Es gibt bereits Konzepte wie das des Animal-Aided-Designs, die die Belange von Tieren berücksichtigen oder sogar neue Lebensräume schaffen, doch häufig sind diese Architekt*innen und Bauschaffenden nicht bekannt.

Um den Dialog zwischen Architektur und Naturschutz zu fördern, veranstaltete das UfU gemeinsam mit dem BUND die Fachtagung Architektur + Biologische Vielfalt. „Der direkte Austausch zwischen Wissenschaftler*innen zum Artenschutz an Bauten und jenen, die Bauvorhaben umsetzen, ist etwas Besonderes, das es in dieser Form bisher nicht gegeben hat“, sagt die fachliche Leiterin der Fachtagung Claudia Wegworth vom BUND Berlin.

Dass dieser Austausch notwendig ist, unterstreicht eine Aussage von Jan Musikowski, der gemeinsam mit seinem Architekturbüro das Futurium in Berlin entwarf. „Unser Interesse war das Aussehen und nicht die Natur“, räumte er ein, bevor er berichtete, wie die Glasfassade des Futuriums nachträglich mit speziellen Folien optimiert wurde, um Vogelschlag zu vermeiden. Er betonte, dass Architekt*innen bereits mit vielen Regularien konfrontiert seien und konkrete Leitfäden als Orientierung benötigten.

Welche Lösungsansätze gibt es

Laut Christine Lemaitre, der Geschäftsführenden Vorständin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), seien vollverglaste Fassaden auch in Bezug auf die Energieeffizienz von Gebäuden kein Zukunftsmodell mehr. Zudem unterstrich Prof. Dr. Thomas E. Hauck von der Technischen Universität Wien die Notwendigkeit in der Architektur neue ästhetische Präferenzen zu finden, die der Artenvielfalt zugutekommen: „Die Kosten sind relativ gering. Peanuts gegenüber einem Stellplatz in der Tiefgarage“. Auch in Bezug auf die Klimakrise müssten alte Gewissheiten überdacht werden, bekräftigte Cosima Lindemann, die Vorsitzende des Naturschutzbundes Rheinland-Pfalz. So sollten Nistgelegenheiten für Vögel zum Beispiel besonders an Nordseiten von Gebäuden platziert werden, um direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden.

Dr. Franz Hölker vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei beleuchtete außerdem die massiven Auswirkungen von Lichtemissionen auf Pflanzen, Tiere und Menschen. Zum Beispiel störten Brückenbeleuchtungen die Wanderung verschiedener Fischarten, wodurch die von der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie geforderte ökologische Durchgängigkeit von Fließgewässern nicht garantiert werden könne. Deswegen betonte Annette Krop-Benesch von der Initiative „Nachhaltig Beleuchten“, dass der Blau-Anteil des Lichts reduziert und die Beleuchtungen so schwach und punktgenau wie möglich verwendet werden sollten.

Die abschließende Diskussion zeigte, dass der erste Austausch zwischen Naturschutz und Architektur bereits Früchte trug. Dennoch können zufriedenstellende und zukunftsfähige Lösungen in Zukunft nur gemeinsam umgesetzt werden.

Die Fachtagung „Architektur + Biologische Vielfalt“ fand am 27. September im Deutschen Architekturzentrum in Berlin statt und wurde vom Bundesamt für Naturschutz finanziert. Ca. 80 Personen nahmen vor Ort teil, 200 weitere waren online zugeschaltet. Eine ausführliche Dokumentation der Veranstaltung finden Sie hier.