Strukturwandel und sozial-ökologische Transformation

27.02.2023
Strukturwandel und sozial-ökologische Transformation
Strukturwandel wird oft mit den sogenannten „3 Ds“ näher spezifiziert. Gemeint sind: Demographischer Wandel, Dekarbonisierung und Digitalisierung. Alle drei Themen gehen für sich und in ihren Wechselwirkungen miteinander mit tiefergreifenden gesellschaftlichen Veränderungen einher. Alternde Gesellschaften und sich verändernde Bewegungsmuster verändern die Bedürfnisse der Menschen etwa was Pflege und Anforderungen an Mobilität angeht. Der politisch beschlossene und aufgrund der Klimakrise notwendige Kohleausstieg geht einher mit Strukturveränderungen. Bestimmte Arbeitsplätze fallen weg, die Nutzung erneuerbarer Energieträger muss skaliert werden. Diese Prozesse bieten auch Möglichkeiten zu einer größeren Dezentralität und damit auch zunehmender demokratischer Mitbestimmung im Energiesystem, wie sich am Beispiel von Energiegenossenschaften aufzeigen lässt (vgl. Holstenkamp /Radtke (Hrsg.) (2018): Energiewende und Partizipation). Ebenso durchzieht die fortschreitende Digitalisierung zahlreiche Lebensbereiche ob in professionellen oder in privaten Kontexten und ist längst nicht mehr wegzudenken.
Im Sinne der Vision einer sozialen und ökologischen Transformation ist der Strukturwandel auch als Gelegenheitsfenster zu verstehen: Anstatt „die Dinge einfach passieren zu lassen“, sollen bewusst Steuerungsmechanismen eingesetzt werden, um die betreffenden Regionen zukunftsfähig, resilient und gerechter aufzustellen. Bürger*innenpartizipation ist dem UfU seit Gründung an ein wichtiges Anliegen. Denn die entsprechenden Prozesse sollten sowohl in Hinblick auf Verteilungs- als auch Verfahrensgerechtigkeit stattfinden.
Im Projekt RevierUPGRADE/MEIFAIR fällt der Fokus auf die junge Generation: Junge Leute sind es, die im Laufe ihres Lebens die Auswirken jetziger Handlungen (oder auch deren Ausbleiben) am meisten zu spüren bekommen. Dies gilt sowohl in Hinblick auf Kippunkte des Erdsystems (vgl. https://www.pik-potsdam.de/de/produkte/infothek/kippelemente/kippelemente) als auch in Bezug auf konkrete Maßnahmen vor Ort, die den eigenen „Lebensraum“ attraktiv machen und Bleibeperspektiven überhaupt erst ermöglichen. Im Sinne von Klimaschutz, Klimaanpassung und Demokratieentwicklung gibt es viel zu tun.
Um den Status Quo und aktuelle Handlungsanknüpfungspunkte gemeinsam auszuloten und die Themen Strukturwandel, Jugendbeteiligung und soziale-ökologische Transformation näher zusammenzudenken, veranstaltet das UfU gemeinsam mit der BUNDjugend am 24.03.2023 ein Dialogforum in Leipzig. Weitere Informationen sowie Anmeldemöglichkeiten finden sich auf der Veranstaltungsseite. Herzlich eingeladen zur Veranstaltung sind Akteur*innen, welche im Mitteldeutschen und/oder Lausitzer Revier aktiv sind und sich in den Bereichen Jugendbeteiligung, Umweltbildung oder Bildung für nachhaltige Entwicklung engagieren sowie auch Mitglieder selbstorganisierter Gruppen und/oder Nachhaltigkeitsinitiativen und weitere Interessierte.
Umwelt gerechter ermöglichen – Das Konzept Umweltgerechtigkeit

21.02.2023
Bild ©Florian Wehde
Umwelt gerechter ermöglichen – Das Konzept Umweltgerechtigkeit
„Umweltfragen sind immer Verteilungsfragen, und Verteilungsfragen sind immer Gerechtigkeitsfragen.“ heißt es im Buch „Unsere Welt neu denken“ von Maja Göpel (2020). Damit betont die Transformationsforscherin, dass soziale Ungleichheiten und gesellschaftliche Machtverhältnisse durch Geschlecht, soziales Milieu oder Alter die Verteilung von Umweltbelastungen und -ressourcen beeinflussen. So sind beispielsweise Menschen mit geringem Einkommen und niedrigen Bildungschancen, die im hochverdichteten Innenstadtbereich leben, oft höheren Gesundheitsbelastungen durch Verkehrslärm und Luftschadstoffen ausgesetzt. Deswegen sind soziale Dimensionen bei ökologischen Problemlagen zwingend mitzudenken.
Umweltgerechtigkeit (UG) ist ein interdisziplinärer und integrativer Handlungsansatz zur Verringerung sozialer Ungleichheiten in den Bereichen Umwelt und Gesundheit, der mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Ziel soll sein, gesunde Umwelt- und Lebensverhältnisse für alle zu schaffen. Grundsätzlich nimmt das Konzept im deutschsprachigen Diskurs Aspekte aus den Bereichen Soziale Lage, Umwelt und Gesundheit in bestimmten Sozialräumen in den Blick und setzt diese miteinander in Bezug (vgl. difu (2021) -toolbox Umweltgerechtigkeit).
Um die Thematik und den Austausch weiter voranzubringen, richtet das UfU gemeinsam mit dem BUND Berlin im Mai 2023 den Kongress „Umweltgerechtigkeit im Quartier – vernetzt und partizipativ Zukunft gestalten“ aus. Die Veranstaltung fokussiert sich konkret auf die Stadt Berlin und seine Quartiere. Highlights der Veranstaltung sind der fachliche Austausch zwischen den Teilnehmenden, die Vorstellung und Diskussion des aktualisierten Berliner Umweltgerechtigkeits-Berichts und Anstöße zur Initiierung von Projekten und Maßnahmen in mehrfach belasteten Quartieren. Zudem soll der vom UfU erstellte Entwurf des Praxisleitfadens für Berliner Quartiersmanager*innen diskutiert werden.
Der Kongress baut auf Vorarbeiten verschiedener Akteur*innen und dem Umweltgerechtigkeitsatlas auf. Auch politisch hat Berlin im Themenbereich Umweltgerechtigkeit eine gewisse Vorreiterrolle. Bereits in den Koalitionsvereinbarungen für die Legislaturperiode 2016 – 2021 wurde das Ziel formuliert, die Anzahl mehrfach belasteter Gebiete und die Betroffenheit der Berliner*innen deutlich zu reduzieren.
Übrigens: Environmental Justice hat u.a. historische Ursprünge in der Schwarzen Bürger*innenrechtsbewegung, die rassistische Zustände in umweltrelevanten Entscheidungen wie beispielsweise Standortentscheidungen von Giftmülldeponien bekämpfte.
Bioenergie ohne Flächenkonflikte

27.01.2023
Bioenergie ohne Flächenkonflikte
Der Anbau von Maniok auf stillgelegten Bergbauflächen zur Produktion von Bioethanol leistet einen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz in Vietnam.
Seit Jahren steht die Produktion von Bioethanol in der Kritik, da sie mit der Lebensmittelindustrie um landwirtschaftliche Nutzflächen konkurriert. Doch unsere Projektstudie aus Vietnam zeigt, dass der Anbau von Maniok auf stillgelegten Bergbauflächen diesen Konflikt umgeht, da solche Flächen für die Nahrungsmittelproduktion ungeeignet sind. Die Verwendung des daraus resultierenden Bioethanols führt zu einer CO2 Einsparung von bis zu 50% im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen.
Der Energiebedarf Vietnams nimmt aufgrund des Wirtschaftswachstums und der Industrialisierung stetig zu. Dabei soll der Anteil von Erneuerbaren Energien von 3,7 Prozent in 2020 auf 10 Prozent im Jahr 2030 ansteigen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die vietnamesische Regierung die Beimischung von Bioethanol und die Rekultivierung von stillgelegten Bergbauflächen vorgeschrieben. Das UfU profitiert davon, da wir in unserem CPEP Projekt mit Bergbauunternehmen zusammenarbeiten, die Maniok zur Rekultivierung ihrer stillgelegten Bergbauflächen verwenden, um durch den Verkauf zusätzliche Gewinne zu erzielen.
Stillgelegte Bergbauflächen sind aufgrund vergangener Aktivitäten häufig durch Schwermetalle und andere Giftstoffe belastet und somit für die Produktion von Lebensmitteln ungeeignet. Daher steht der Anbau von Maniok nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion und ist eine geeignete Rekultivierungsmaßnahme. Auf den Testflächen des UfU in Vietnam liegen die Maniok Erträge mit 25 Tonnen pro Hektar im guten Mittelfeld. Die nationalen Durchschnittserträge liegen zwischen 13 und 35 Tonnen. Allerdings konnten nur 2 Tonnen Ethanol pro Hektar produziert werden, 1,5 Tonnen weniger als im Durchschnitt. Dies deutet auf einen niedrigen Zuckergehalt hin, der auf die geringere Bodenqualität zurückzuführen ist.
Durch die Nutzung von Bioethanol aus Maniok, das auf stillgelegten Bergbauflächen angebaut wird, können im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen bis zu 50 Prozent CO2-Emissionen eingespart werden. Diese Einsparung ist auch im Vergleich zu konventionell erzeugtem Bioethanol deutlich höher. Zum Beispiel werden für die konventionelle Biokraftstofferzeugung häufig große Flächen an Regenwald gerodet, wodurch es zu immensen CO2-Emissionen kommt. Bei der Nutzung stillgelegter Bergbauflächen werden die negativen Auswirkungen von Landnutzungsänderungen jedoch vermieden.
Der Anbau von Maniok auf stillgelegten Bergbauflächen zur Produktion von Bioethanol kann für Vietnam ein nachhaltiger Weg sein den steigenden Energiebedarf zu decken und gleichzeitig CO2 Emissionen einzusparen. Aus diesem Grund soll im Rahmen des Folgeprojekts der Anbau und die ökonomische Verwertung von Maniok weiter analysiert werden, um die Produktion von Bioethanol erfolgreich skalieren zu können.
Mehr zu den Chancen und Herausforderungen der Produktion von Bioethanol in Vietnam finden Sie in unserem neuen UfU-Paper:
Ausbau der Erneuerbaren senkt die Gesundheitskosten
2. November 2022
Ausbau der Erneuerbaren senkt die Gesundheitskosten
Veröffentlichung des COBENEFIS Knowledge Commons Air Quality Berichts
COBENEFITS Projekt
Laufzeit
03/2017-02/2020
Kooperationspartner
Institute for Advanced Sustainability Studies e. V. (IASS)
Renewables Academy AG (RENAC)
International Energy Transition (IET)
Auftraggeber
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)
im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI)
Kontakt
Franziska Sperfeld
Der COBENEFITS Knowledge Commons Air Quality Bericht möchte Entscheidungsträger*innen, NGOs und anderen Expert*innen einen schnellen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung im Bereich Energiewende, Luftqualität und Gesundheit geben. Dabei fasst er einzelne spannende Ergebnisse zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Energiewende aus verschiedenen Ländern und Kontexten zusammen.
Heutzutage können Wissenschaftler*innen durch Modellierungs-Software schon ziemlich genau berechnen, wie sich der Ausbau der Erneuerbaren auf die Luftqualität und somit auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirkt. So führt die Reduktion der Kohlekraftwerke zu einer geringeren Zahl an frühzeitigen Todesfällen, ausgefallenen Arbeitstagen und Kosten im Gesundheitssektor. Entscheidungsträger*innen ist oftmals aber nicht klar, wie diese Berechnungen funktionieren und welche Konzepte angewendet werden. Deswegen müssen NGOs, die solche Studien als Entscheidungsgrundlage in Auftrag geben, zuerst Expert*innen finden, welche diese komplexen Analysen und Berechnungen überhaupt durchführen können.
Nun kamen zur Veröffentlichung des COBENEFITS Knowledge Commons Air Quality Berichts am 27. September Wissenschaftler*innen und Expert*innen virtuell zusammen, um die neuesten Analyse- und Modellierungsmöglichkeiten vorzustellen und deren Vor- und Nachteile zu diskutieren. Während der Veranstaltung wurde betont, dass der Ausbau der Erneuerbaren uns dabei hilft, auch im Gesundheitssektor, die Social Development Goals (SDGs) zu erreichen. Deshalb muss bei der Energieplanung um die Ecke gedacht werden. Es braucht mehr Analysen, in denen zur Energieplanung Gesundheitsdaten zu Rate gezogen werden, um Entscheidungsträger*innen klar zu machen, dass der Ausbau von Erneuerbaren indirekt viele Leben retten bzw. verbessern kann.
Das COBENEFIS 2 Projekt ist nun ausgelaufen. Weitere Informationen und Materialien finden Sie hier:
Eingesparte Gesundheitskosten durch den Ausbau von Erneuerbaren bis 2050 in Indien

Den Dialog zwischen Naturschutz und Architektur fördern

31. Oktober 2022
Den Dialog zwischen Naturschutz und Architektur fördern
Fachtagung Architektur und Biologische Vielfalt
Urbane Räume gelten längst als Hotspots der biologischen Vielfalt. Gebäude sind wichtige Lebensräume für viele Tierarten. Architekt*innen können mit der Gestaltung von Gebäuden eine Schlüsselrolle für die Förderung der Biodiversität spielen. Deswegen diskutierten auf der Fachtagung Architektur + Biologische Vielfalt Architekt*innen und führende Wissenschaftler*innen, wie eine ökologisch nachhaltige Baukultur aussehen kann.
Welche Herausforderungen liegen vor uns
Vogelschlag an Glas, Lichtverschmutzung sowie die Zerstörung von Niststätten durch Bauaktivitäten gefährden die Artenvielfalt in urbanen Räumen. In Europa und Nordamerika fallen 500 Millionen bis eine Milliarde Vögel jährlich Vogelschlag an Glas zum Opfer. Des Weiteren stieg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die nächtliche Beleuchtungsintensität jährlich um 3-6%. So führt gerade bei Insekten die nächtliche Beleuchtung zu einem regelrechten Staubsaugereffekt. Es gibt bereits Konzepte wie das des Animal-Aided-Designs, die die Belange von Tieren berücksichtigen oder sogar neue Lebensräume schaffen, doch häufig sind diese Architekt*innen und Bauschaffenden nicht bekannt.
Um den Dialog zwischen Architektur und Naturschutz zu fördern, veranstaltete das UfU gemeinsam mit dem BUND die Fachtagung Architektur + Biologische Vielfalt. „Der direkte Austausch zwischen Wissenschaftler*innen zum Artenschutz an Bauten und jenen, die Bauvorhaben umsetzen, ist etwas Besonderes, das es in dieser Form bisher nicht gegeben hat“, sagt die fachliche Leiterin der Fachtagung Claudia Wegworth vom BUND Berlin.
Dass dieser Austausch notwendig ist, unterstreicht eine Aussage von Jan Musikowski, der gemeinsam mit seinem Architekturbüro das Futurium in Berlin entwarf. „Unser Interesse war das Aussehen und nicht die Natur“, räumte er ein, bevor er berichtete, wie die Glasfassade des Futuriums nachträglich mit speziellen Folien optimiert wurde, um Vogelschlag zu vermeiden. Er betonte, dass Architekt*innen bereits mit vielen Regularien konfrontiert seien und konkrete Leitfäden als Orientierung benötigten.
Welche Lösungsansätze gibt es
Laut Christine Lemaitre, der Geschäftsführenden Vorständin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), seien vollverglaste Fassaden auch in Bezug auf die Energieeffizienz von Gebäuden kein Zukunftsmodell mehr. Zudem unterstrich Prof. Dr. Thomas E. Hauck von der Technischen Universität Wien die Notwendigkeit in der Architektur neue ästhetische Präferenzen zu finden, die der Artenvielfalt zugutekommen: „Die Kosten sind relativ gering. Peanuts gegenüber einem Stellplatz in der Tiefgarage“. Auch in Bezug auf die Klimakrise müssten alte Gewissheiten überdacht werden, bekräftigte Cosima Lindemann, die Vorsitzende des Naturschutzbundes Rheinland-Pfalz. So sollten Nistgelegenheiten für Vögel zum Beispiel besonders an Nordseiten von Gebäuden platziert werden, um direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden.
Dr. Franz Hölker vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei beleuchtete außerdem die massiven Auswirkungen von Lichtemissionen auf Pflanzen, Tiere und Menschen. Zum Beispiel störten Brückenbeleuchtungen die Wanderung verschiedener Fischarten, wodurch die von der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie geforderte ökologische Durchgängigkeit von Fließgewässern nicht garantiert werden könne. Deswegen betonte Annette Krop-Benesch von der Initiative „Nachhaltig Beleuchten“, dass der Blau-Anteil des Lichts reduziert und die Beleuchtungen so schwach und punktgenau wie möglich verwendet werden sollten.
Die abschließende Diskussion zeigte, dass der erste Austausch zwischen Naturschutz und Architektur bereits Früchte trug. Dennoch können zufriedenstellende und zukunftsfähige Lösungen in Zukunft nur gemeinsam umgesetzt werden.
Die Fachtagung „Architektur + Biologische Vielfalt“ fand am 27. September im Deutschen Architekturzentrum in Berlin statt und wurde vom Bundesamt für Naturschutz finanziert. Ca. 80 Personen nahmen vor Ort teil, 200 weitere waren online zugeschaltet. Eine ausführliche Dokumentation der Veranstaltung finden Sie hier.