26. Juli 2023

Öffentlichkeitsbeteiligung muss niedrigschwellig und digital verfügbar sein.

Digitale Öffentlichkeitsbeteiligung in Deutschland gleicht einem Flickenteppich. In zahlreichen Fachgesetzen werden unterschiedliche Standards und Vorgehensweisen für die Beteiligung von Bürger*innen in Infrastrukturvorhaben festgesetzt – wenn sie überhaupt gesetzlich geregelt ist. Niedrigschwellige Möglichkeiten der Beteiligung sind jedoch ein essenzieller Bestandteil von Demokratien und zudem wichtig für die Akzeptanz von Infrastrukturvorhaben.

Öffentlichkeitsbeteiligung in Zeiten der Digitalisierung

Werden in Deutschland Infrastrukturvorhaben geplant, haben Bürger*innen das Recht, sich an diesen zu beteiligen, Informationen einzusehen und Einwände gegen die Vorhaben einzubringen. Das ist u.a. in der Aarhus-Konvention, den europäischen Richtlinien (u.a. UVP- oder Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie) und dem deutschen Planungs- und Zulassungsrecht geregelt. In Zeiten der Digitalisierung und auch als Lernerfahrung aus der Pandemie bedarf diese Art der Öffentlichkeitsbeteiligung einer dringenden Modernisierung. Zahlreiche Umweltverbände drängen inzwischen zu einer neuen übergeordneten Gesetzgebung für digitale Öffentlichkeitsbeteiligung.

Es braucht Standards bei gleichzeitiger Qualitätssicherung

Bisher wird die digitale Öffentlichkeitsbeteiligung durch zahlreiche Fachgesetze geregelt. Teilweise variiert das Vorgehen in der Beteiligung von Gesetz zu Gesetz. Die Folge sind Unübersichtlichkeit und Unklarheit. Soll jedoch das Mitspracherecht von Bürger*innen gewahrt werden, braucht es eine kluge Gesetzgebung, die Öffentlichkeitsbeteiligung sowohl digital, als auch analog regelt und sich an Grundsätzen der Nutzer*innenfreundlichkeit und dem einfachen Zugang zu Informationen orientiert. Zentrale Forderungen des UfU in einem vom UfU für BUND und NABU erstellten Gesetzentwurf zu digitalen Öffentlichkeitsbeteiligung sind:

  1. Einrichtung eines zentralen Beteiligungsportales
  2. Übersichtliche und strukturierte Bereitstellung von Unterlagen
  3. Keine Absenkung von Beteiligungsrechten durch Digitalisierung

Um die Qualität der zukünftigen Gesetzgebung zu sichern und auch die Umsetzbarkeit zu garantieren, bedarf es einer vernetzten Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren der Öffentlichkeitsbeteiligung. Im Frühjahr haben wir einen fachlichen Austausch mit Vertreter*innen aus Wissenschaft, Umweltverbänden und Verwaltung mit Förderung der Heidehof Stiftung organisiert. Dabei diskutierten die Expert*innen aus Forschung und Praxis wie eine Gesetzgebung aussehen kann, die die Öffentlichkeitsbeteiligung modernisiert ohne Qualitätsverluste zu verzeichnen. Dazu gehört z.B., dass Informationen im Internet zugänglich und übersichtlich bereitgestellt werden oder dass in Zulassungsverfahren die eigenen Einwendungen mit den zuständigen Behörden direkt erörtert werden können

Behörden müssen bei der Umsetzung unterstützt werden

Neue gesetzliche Vorgaben allein werden die Öffentlichkeitsbeteiligung nicht modernisieren und in ihrer Qualität verbessern. Auch müssen bei den zuständigen Behörden personelle Kapazitäten und fachliche Kompetenzen für digitale Beteiligung aufgebaut werden. In unserem Projekt „E-Partizipation Umwelt“ werden konkrete Hilfestellungen für Behörden entwickelt, die digitale Beteiligungsformate umsetzen (wollen). In einem Praxisleitfaden werden zentrale Fragen beantwortet und praktische Hinweise gegeben. Etwa wenn es darum geht wann digitale Formate besonders gut geeignet sind, und wann nicht. Welche technischen Voraussetzungen gegeben sein müssen und welche besonderen Anforderungen sich ergeben, etwa an die Kommunikation mit den Teilnehmenden vorab oder an die Moderation während der Veranstaltungen.

Digitale Öffentlichkeitsbeteiligung ist ein zentraler Bestandteil der Transformation

In unserer Arbeit wird deutlich, dass es sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Praxis noch viel Verbesserungspotenzial gibt. Digitale Beteiligung birgt die Chance Menschen niedrigschwellig und einfach einzubeziehen und somit Partizipationshürden zu senken. Dabei muss darauf geachtet werden, dass Standards der guten Beteiligung in Zukunft nicht verloren gehen.

Angesichts großer Herausforderungen dieses Jahrhunderts, wie der Klima- und Biodiversitätskrise, wird unsere Infrastruktur massiv umgebaut werden müssen. Vor allem die Bereiche Energieversorgung und der Mobilitätssektor sind betroffen. In der öffentlichen Debatte wird die Öffentlichkeitsbeteiligung oftmals für lange Planungsverfahren verantwortlich gemacht. Eine jüngst vom UfU veröffentlichte Studie zeigt allerdings welche positive Nutzen die Öffentlichkeitsbeteiligung auf die Umweltverträglichkeit der Infrastrukturvorhaben und die effiziente Durchführung von Verfahren hat.

Darüber hinaus ist das Mitspracherecht von Bürger*innen generell ein wesentlicher Bestandteil unseres demokratischen Systems. Nicht zuletzt bei solch einer großen gesellschaftlichen Herausforderung wie die Transformation zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft, die mit erklärten sozialen und ökologischen Zielen übereinstimmt, ist sie unabdingbar. Wie die Öffentlichkeitsbeteiligung in Bezug auf Infrastrukturprojekte in Zukunft moderner und niedrigschwelliger umgesetzt werden kann, erforschen wir weiterhin am UfU.