27. November 2024

Abschluss Vietnamesisch-deutsches Umwelt- und Klimaschutzprojekt zu Energiepflanzen

Das Unabhängige Institut für Umweltfragen (UfU) e.V. ist eine angewandt wissenschaftliche Einrichtung mit Sitz in Berlin. Es initiiert und begleitet wissenschaftliche Pilotprojekte, Know-How Transfer und Bildungsmaßnahmen, die öffentlich und gesellschaftlich relevant sind, auf eine Verbesserung des Zustands von Umwelt und Natur drängen und Partizipation fordern und fördern. Mit seinen Aktivitäten verfolgt das UfU im In- und Ausland vor allem das Ziel, die Lücke zwischen Wissen und Handeln zu verringern. Dazu gehören auch zahlreiche Projekte in Vietnam. Bereits seit dem Jahr 1998 und seit 2004 in stetig wachsender Zahl engagiert sich das UfU mit Projekten in Vietnam. Entstanden ist diese Zusammenarbeit mit unserem inzwischen verstorbenen Kollegen Dr. Pham Ngoc Han, der zu Ausbildungszwecken in die DDR entsandt wurde. Dr. Han kam 1996 an das UfU und baute ab 1998 gemeinsam mit Dr. Michael Zschiesche schrittweise die Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam im Umweltbereich auf. Seit dieser Zeit wurden mehr als 20 Projekte zu unterschiedlichen Themen mit unterschiedlichen Partnern in Vietnam durchgeführt. Das UfU hat dabei sowohl mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Universitäten als auch mit Ministerien und nachgeordneten Einrichtungen in Vietnam kooperiert. Bei beiden Partnerschaftserklärungen zur strategischen Zusammenarbeit zwischen dem Bundesumweltministerium und dem MONRE in Vietnam hat das UfU sowohl 2008 als auch 2015 die entsprechenden Vorbereitungen geleistet.

Derzeit führt das UfU drei Umweltprojekte in Vietnam durch. Das Spektrum reicht von grün-blauer Infrastruktur und dem Thema Klimaanpassung in Hue bis zum Fachkräfteaustausch in grünen Berufsfeldern im Handwerk. Das Projekt CPEP (Climate protection through Energy Plants on Post-Mining Sites) ist ebenfalls eines dieser drei Projekte und wird gefördert über die IKI. Nach fast 10 Jahren Projektarbeit nähert sich das Projekt seinem Ende, zu dem im Oktober 2024 ein Bilanzworkshop in Hanoi stattfand, über den hier berichtet werden soll.

Steigende Urbanisierung, zunehmender Energiebedarf, Infrastrukturausbau und das Bevölkerungswachstum führen in Vietnam zu einem zunehmenden Zielkonflikt bei der Landnutzung, insbesondere für die Landwirtschaft. Viele landwirtschaftliche Flächen gehen verloren. Genau hier setzt das Projekt an, indem es versucht, ehemalige Bergbaufolgeflächen zu rekultivieren und damit langfristig wieder landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Aufgrund der geringen Bodenqualität und der partiellen Belastung mit Rückständen aus der Tagebauaktivität sind diese Flächen jedoch zunächst nicht für die Nahrungsmittelproduktion geeignet. Da Vietnam nach wie vor stark von fossilen Energieträgern abhängig ist, entstand die innovative Idee, ehemalige Tagebauflächen durch den Anbau von Energiepflanzen zu rekultivieren und damit Lösungsansätze zu entwickeln, die Klimaschutz, Flächenrecycling und Umweltschutz sektorübergreifend denken. Bereits 2014 hat das UfU in einer Machbarkeitsstudie hierzu festgestellt, dass sich Bergbaufolgelandschaften in Vietnam – seiner Zeit gab es etwa 4000 solcher Flächen – besonders gut für den Anbau von Energiepflanzen eignen, da sie ein großes Flächenpotenzial aufweisen und infrastrukturell bereits erschlossen sind. Zudem wird durch diesen Ansatz der klassische Abwägungskonflikt bei Energiepflanzen zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion vermieden, da Bergbaufolgeflächen für die Nahrungsmittelproduktion aufgrund der unzureichenden Bodenqualität zunächst ausgeschlossen sind. Aufbauend auf dieser Machbarkeitsstudie erfolgte von 2015 bis 2018 die Entwicklung und Erprobung ausgewählter Anbausysteme von 6 verschiedenen Energiepflanzen auf 3 räumlich über ganz Vietnam verteilten Bergbaufolgeflächen. Akazie (Acacia hybrid, schnellwachsende Baumart) und Maniok (Manihot esculenta) haben sich in dieser Projektphase als besonders vielversprechende Energiepflanzen hinsichtlich Rekultivierungsleistung und/oder Verwertungspfad herausgestellt. Seit 2020 erfolgt daher in einer neuen Projektphase der Pilotanbau von Akazien und Maniok. Der Pilotanbau wird durch ein intensives Monitoring ausgewählter Umweltindikatoren begleitet, um den Beitrag des Rekultivierungsansatzes zum Klimaschutz durch den Boden verbessernde Maßnahmen aufzuzeigen. Insgesamt verfolgt das UfU mit der Projektreihe einen transdisziplinären Ansatz in einem Verbund aus u.a. Praxispartnern (Minenbetreiber VINACOMIN und Massan High-Tech Materials, Ingenieurbüro für Altlasten Dr. Mark, Dr. Schewe & Partner GmbH), Politik (Ministry of Natural Resources and Environment MONRE; Vietnam Environmental Administration VEA, jetzt Vietnam Environmental and Marine Sciences Institute VEMSI) und Wissenschaft (DaLat University, Hanoi University of Science and Technology, Universität zu Köln).

Pilotanbau von Maniok auf einer ehemaligen Tagebaufläche in der Provinz Lam Dong

Der vielschichtige Projektansatz spiegelte sich auch im Abschlussworkshop am 31.10.2024 in Hanoi wider. Neben den Projektbeteiligten waren zusätzlich Vertreter*innen von MONRE, Soils and Fertilizers Research Institute (SFRI), Northern Environmental Monitoring Center (CEM), Vietnamese National University of Agriculture (VNUA), Friedrich-Ebert-Stiftung, Hanoi University of Natural Ressources (HUNRE), Institute for Agricultural Environment (IAE), National Remote Sensing Department (NRSD) der Einladung des UfU zum Abschlussworkshop gefolgt. Nach der Begrüßung durch Frau Nguyen Thi Thien Phuong (stellvertretende Leiterin des Pollution Control Departments des MONRE) und Dr. Michael Zschiesche (Geschäftsführer des UfU) wurden in der knapp fünfstündigen Veranstaltung in insgesamt sieben Vorträgen die zugrundeliegenden Rahmenbedingungen, Projektaktivitäten und Ergebnisse aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. So wurde z.B. die Rekultivierung aus umweltrechtlicher Sicht noch einmal ausführlich dargestellt – hier erarbeitet das UfU derzeit einen untergesetzlichen technischen Leitfaden, um die Umsetzung des bestehenden Rekultivierungsrechts (das sich im Wesentlichen auf Aufforstung beschränkt), um die Möglichkeit des Anbaus von Bioenergiepflanzen zu erweitern und zu spezifizieren. Direkte Einblicke in die praktische Projektarbeit wurden sowohl für den Standort in der Provinz Thai Nguyen (Nordvietnam) als auch für den Standort Lam Dong (Zentrales Hochland) vorgestellt. Neben wichtigen Ergebnissen zur Identifikation geeigneter Kulturen und Verwertungspfade für die jeweiligen Standorte zeigte sich in diesem Programmteil vor allem auch die Relevanz von Praxisversuchen. So konnte z.B. der erste erfolgreiche Anbau von Maniok im zweiten Anbauversuch nicht wiederholt werden. Das Zusammentreffen einer eingeschleppten Pflanzenkrankheit mit überdurchschnittlich heftigen Monsunniederschlägen vernichtete 2023 die gesamte Ernte. Aber gerade hier können wichtige Erfahrungen gesammelt werden, die nur Praxisversuche liefern können und die Bedeutung von Pilotprojekten aufzeigen. Darüber hinaus lieferten die Praxisversuche realistische Zahlen für weitergehende Betrachtungen. So wurde z.B. anhand einer Ökobilanz untersucht, welche Randbedingungen erfüllt sein müssen, damit die CO2-Reduktion von Ethanol aus Maniok im Vergleich zu fossilen Brennstoffen möglichst groß ist. So konnte auf dem Abschlussworkshop gezeigt werden, dass trotz der im Vergleich zu konventionellen Flächen geringen Erträge von Maniokwurzeln der CO2-Fußabdruck von Bioethanol gleich groß ist wie der von Kraftstoffen aus fossilen Quellen. Durch technische Optimierungen bei der Raffination von Bioethanol und eine Stabilisierung der Erträge ist davon auszugehen, dass der CO2-Fußabdruck von Bioethanol deutlich reduziert werden kann und somit ein echtes Einsparpotenzial gegenüber fossilen Kraftstoffen besteht. Bei der abschließenden Präsentation der Ergebnisse der raum-zeitlichen Bodenuntersuchungen der Pilotflächen konnte der Umwelt- und Klimaschutzeffekt des Projektansatzes nochmals deutlich herausgestellt werden. So konnte der Kohlenstoffvorrat im Boden während der Projektlaufzeit signifikant erhöht und die Bodendegradation durch Erosionsprozesse wirksam reduziert werden. Darüber hinaus konnte bei der Risikoabschätzung einer Grundwasserbeeinträchtigung durch Rückstände im Boden aus dem Tagebaubetrieb gezeigt werden, dass derzeit kein Gefährdungspotenzial besteht.

Pilotanbau von Akazie auf einer ehemaligen Tagebaufläche in der Provinz Thai Nguyen

In der abschließenden Diskussionsrunde wurden neben vielen Detailfragen zu Einzelaspekten vor allem die möglichen Nutzungspfade für die verschiedenen Energiepflanzen noch einmal in den Mittelpunkt gerückt. Insbesondere die divergierende Entwicklung zwischen Theorie und Praxis wurde als Hauptproblem identifiziert. Von den sechs 2015 in Betrieb befindlichen Raffinerien für Ethanol sind derzeit in Vietnam nur noch zwei in Betrieb, die mit stark veralteter (chinesischer) Technologie betrieben werden. Gleichzeitig wird Ethanol derzeit vor allem aus Südkorea und den USA importiert. Offen sind auch mögliche Nutzungspfade für die Akazie. Hier wird noch nach Ansätzen gesucht, den in der Biomasse gespeicherten Kohlenstoff möglichst langfristig zu binden und nicht durch energetische Nutzung wieder in die Atmosphäre zu entlassen. Ansätze aus der Bioökonomie könnten hier helfen, Wertschöpfungsketten zu identifizieren, die eine klimafreundliche Weiterverwendung ermöglichen, wie z.B. die Herstellung von Plattformchemikalien aus Lignocellulose. Neben der Darstellung der bisherigen Ergebnisse konnten so im Rahmen des Workshops auch mögliche zukünftige Forschungsaktivitäten formuliert werden. Gleichzeitig zeigen Entwicklungen wie die erratischen und scheinbar zunehmenden Monsunniederschläge im zentralen Hochland im Jahr 2023 oder der Tropensturm Yogi in diesem Herbst, mit welcher Wucht wir in Zukunft verstärkt mit Extremwetterereignissen konfrontiert werden. Auch hier gibt das Projekt schon heute teilweise Antworten. Neben dem Klimaschutz bietet der Ansatz der Rekultivierung mittels naturbasierter Lösungen auch Möglichkeiten zur Klimaanpassung. Eine Erhöhung der Kohlenstoffvorräte im Boden erhöht z.B. gleichzeitig die Wasserspeicherkapazität des Bodens. Einerseits kann dadurch ein größerer Teil der Niederschläge im Boden zwischengespeichert und damit die Hochwasserwelle reduziert werden, gleichzeitig hilft der erhöhte Bodenwasserspeicher der Vegetation, Trockenphasen besser zu überstehen. Zusammenfassend lässt sich also nach zehn Jahren Projektarbeit sagen, dass es noch genügend Herausforderungen gibt, die es anzugehen gilt – ganz nach dem Credo des UfU: aus dem Wissen ins Handeln kommen.